Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen
lebt in Comiso und hat einen Sohn, der in Sydney arbeitet. Erinnern Sie sich, dass wir von ihm sprachen? Sie fragten mich, ob -«
»Ich erinnere mich«, fiel ihm der Commissario ins Wort.
»Die Schwester, Zia Giuliana, lebte in Trapani, wo sie als Lehrerin arbeitete. Sie war ledig, wollte nie heiraten. Doch weder Mamma noch Zio Mario hatten viel mit ihr zu tun. Obwohl Mamma und sie sich in letzter Zeit wieder ein bisschen näher gekommen sind, sodass Mamma und Papà sogar zwei Tage, bevor sie starb, zu ihr gefahren sind. Sie sind fast eine Woche in Trapani geblieben.«
»Wissen Sie, warum das Verhältnis Ihrer Mutter und des Bruders zu dieser Giuliana so unterkühlt war?«
»Als mein Großvater und meine Großmutter starben, hinterließen sie von dem Wenigen, was sie besaßen, fast alles dieser Tochter, womit die beiden anderen praktisch enterbt waren.«
»Hat Ihre Mutter Ihnen jemals gesagt, aus welchem Grund -«
»Sie hat etwas angedeutet. Anscheinend fühlten sich meine Großeltern von Mamma und Zio Mario im Stich gelassen. Aber wissen Sie, Mamma hat sehr jung geheiratet, und mein Onkel ging von zu Hause fort und arbeitete, als er noch keine sechzehn Jahre alt war. Nur Zia Giuliana blieb bei den Eltern. Als meine Großeltern starben, zuerst starb die Großmutter, hat Giuliana sofort verkauft, was sie hier hatte, und ließ sich nach Trapani versetzen.«
»Wann ist sie gestorben?«
»Genau kann ich es Ihnen nicht sagen. Zwei Jahre ist es mindestens her.«
» Wissen Sie, wo sie in Trapani wohnte?«
»Nein. Hier in der Wohnung habe ich nichts über Zia Giuliana gefunden. Ich weiß aber, dass die Wohnung in Trapani ihr gehörte, sie hatte sie gekauft.«
»Ein Letztes noch: den Mädchennamen Ihrer Mutter.«
»Di Stefano. Margherita Di Stefano.«
Das war das Gute an Davide Griffo: Er gab großzügig Antworten und geizte mit Fragen.
Zwei Millionen im Monat. Ungefähr so viel, wie ein kleiner Angestellter am Ende seiner beruflichen Laufbahn verdiente. Aber Alfonso Griffo war schon lange Rentner, und von der Rente lebte er, von seiner und der seiner Frau. Besser gesagt, er hatte davon gelebt, denn seit zwei Jahren erhielt er einen beträchtlichen Zuschuss. Zwei Millionen im Monat. Unter einem anderen Blickwinkel eine lächerliche Summe. Zum Beispiel, wenn es sich um eine systematische Erpressung handelte. Und so geldgierig er auch war, Alfonso Griffo hätte nie, sei es aus Feigheit, sei es aus mangelnder Fantasie, eine Erpressung geplant. Selbst wenn er keine moralischen Skrupel hatte. Zwei Millionen im Monat. Weil er als Strohmann fungierte, wie er zu Anfang vermutet hatte? Aber ein Strohmann bekommt normalerweise die ganze Summe auf einmal oder wird am Gewinn beteiligt, aber sicher nicht in monatlichen Raten bezahlt. Zwei Millionen im Monat. In gewisser Weise war es die Geringfügigkeit des Betrages, weswegen sich die Sache so kompliziert gestaltete. Doch die Regelmäßigkeit der Einzahlungen war ein Hinweis. Etwas konnte sich der Commissario schon denken. Es gab nämlich eine zeitliche Übereinstimmung, die ihn sehr beschäftigte.
Er hielt vor dem Rathaus und ging ins Einwohnermeldeamt hinauf. Er kannte den Angestellten, Signor Crisafulli. »Ich brauche eine Auskunft.«
»Bitte, Commissario.«
»Wenn jemand, der in Vigàta geboren ist, in einem anderen Ort stirbt, wird sein Tod dann hier gemeldet?«
»Es gibt eine solche Vorschrift«, sagte Signor Crisafulli ausweichend.
»Und wird sie befolgt?«
»Im Allgemeinen schon. Aber sehen Sie, das dauert. Sie wissen doch, wie so was ist. Ich muss Ihnen jedoch sagen, wenn der Tod im Ausland eingetreten ist, sieht es ganz schlecht aus. Außer ein Familienangehöriger kümmert sich selbst darum, dass -«
»Nein, die Person, um die es mir geht, ist in Trapani gestorben.«
»Wann?«
»Vor über zwei Jahren.«
»Wie hieß sie?«
»Giuliana Di Stefano.«
»Das haben wir gleich.«
Signor Crisafulli betätigte sich am Computer, der in einer Ecke des Zimmers thronte, hob den Blick und sah Montalbano an.
»Sie ist am 6. Mai 1997 in Trapani verstorben.«
»Steht da, wo sie gewohnt hat?«
»Nein. Aber wenn Sie wollen, kann ich Ihnen das in fünf Minuten sagen.«
Und da tat Signor Crisafulli etwas Merkwürdiges. Er ging an seinen Tisch, öffnete eine Schublade, holte einen Flachmann aus Metall hervor, schraubte den Deckel ab, trank einen Schluck, schraubte wieder zu und ließ den Flachmann stehen. Dann machte er sich erneut am Computer zu schaffen. Da
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