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Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Titel: Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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ab­geknöpft hat?«
    »Wissen Sie, manchmal brachte Gargano Schecks mit, und die hinterlegte entweder ich oder Mariastella oder Gia­como dann bei der hiesigen Filiale der Cassa di Credito. Das taten wir auch, wenn der Kunde selbst in die Agentur kam. Nach einer gewissen Zeit ließ Gargano sich die Be­träge bei seiner Bank in Bologna gutschreiben. Aber wie wir erfahren haben, blieb das Geld auch dort nicht lange. Anscheinend kam es in die Schweiz und nach Liechten­stein, ich weiß nicht genau.«
    »Warum?«
    »Was für eine Frage! Weil Gargano es mit Spekulationen gewinnbringend anlegen wollte. Zumindest dachten wir das.«
    »Und was denken Sie jetzt?«
    »Dass er die Kohle im Ausland gehortet hat, um alle zum richtigen Zeitpunkt aufs Kreuz zu legen.«
    »Hat er Sie auch.«
    »Aufs Kreuz gelegt? Nein, von mir hat er keine Lira bekom­men. Auch wenn ich gewollt hätte, ich hätte es nicht ge­konnt. Sie haben Papa doch kennen gelernt, oder? Aber er hat uns um zwei Monatsgehälter gebracht.«
    »Darf ich Sie was Persönliches fragen?«
    »Ja, klar.«
    »Hat Gargano versucht, Sie ins Bett zu kriegen?« Michela prustete los und wollte sich ausschütten vor La­chen, das Veilchenblau ihrer Augen wurde heller, weil es vor Tränen glitzerte. Montalbano wartete, bis sie sich beru­higt hatte, und fragte sich, was an seiner Frage so komisch war. Michela fing sich wieder.
    »Offiziell machte er mir den Hof. Und der armen Maria­stella auch. Mariastella war furchtbar eifersüchtig auf mich. Na ja, Pralinen und Blumen. Aber wenn ich eines Tages zu ihm gesagt hätte, ich sei bereit, mit ihm ins Bett zu gehen, wissen Sie, was dann passiert wäre?«
    »Nein, sagen Sie's mir.«
    »Er wäre in Ohnmacht gefallen. Gargano war schwul.«

Sechs
    Der Commissario war sprachlos. Darauf wäre er im Traum nicht gekommen. Aber nach der anfänglichen Überra­schung dachte er nach: War die Tatsache, dass Gargano homosexuell war, für den Ausgang der Ermittlungen von Bedeutung? Vielleicht ja, vielleicht nein, doch Mimi hatte ihm nichts davon gesagt.
    »Sind Sie sicher? Hat er Ihnen das selbst gesagt?«
    »Ich bin mehr als sicher, aber er hat es mir gegenüber nie erwähnt. Wir haben uns im Nu verstanden, auf den ersten Blick.«
    »Haben Sie Dottor Augello von dieser. diesem Umstand, besser gesagt diesem Ihrem Eindruck berichtet?«
    »Augello hat mir mit dem Mund Fragen gestellt, aber mit seinen Augen wollte er etwas anderes. Ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr, ob ich diesem Arsch was davon gesagt habe.«
    »Verzeihen Sie, aber warum sind Sie auf Augello so sauer?«
    »Wissen Sie, Commissario, ich war mit Augello zusam­men, weil er mir gefiel. Aber bevor ich seine Wohnung verließ, teilte er - nackt, Handtuch über dem Pimmel - mir mit, er sei verlobt und heirate demnächst. Hatte ihn jemand danach gefragt? Er war so erbärmlich, dass ich es bereut habe, dort gewesen zu sein, das ist alles. Ich würde ihn gern vergessen.«
    »War Signorina Cosentino darüber im Bilde, dass Gargano…«
    »Wissen Sie, Commissario, wenn Gargano sich plötzlich in ein grässliches Monster verwandelt hätte, was weiß ich, in Kafkas Ungeziefer, hätte sie voller Bewunderung vor ihm gestanden, versunken in ihrem Liebeswahn, und nichts gemerkt. Ich glaube auch nicht, dass die arme Ma­riastella Cosentino in der Lage ist, einen Hahn von einer Henne zu unterscheiden.«
    Michela Manganaro steckte voller Überraschungen. Jetzt kam sie auch noch mit Kafkas Verwandlung an. »Mögen Sie ihn?«
    »Wen, Gargano?«
    »Nein. Kafka.«
    »Ich habe alles gelesen, vom Prozess bis zu den Briefen an Milena. Sind wir hier, um uns über Literatur zu unterhal­ten?«
    Montalbano erwiderte nichts. »Und Giacomo Pellegrino?«
    »Klar, auch Giacomo hatte sofort verstanden, vielleicht ein bisschen eher als ich. Weil Giacomo es auch ist. Und bevor Sie mich fragen, sage ich Ihnen gleich, dass ich das Mimi Augello ebenfalls nicht gesagt habe.« Er auch? Hatte er recht verstanden? Er wollte eine Bestäti­gung.
    »Er auch?«, fragte er.
    Das war ihm im Ton einer sizilianischen Charakterkomö­die über die Lippen gekommen, halb erstaunt, halb an­geekelt, und er schämte sich, weil er das wirklich nicht beabsichtigt hatte.
    »Er auch«, sagte Michela ohne jeden Unterton. »Man könnte die Vermutung anstellen«, fing Montalbano vorsichtig an, als bewegte er sich auf minenverseuchtem Terrain, »aber es handelt sich um eine reine Vermutung, das möchte ich betonen, dass zwischen Giacomo und

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