Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde
Garbo-Synchron-Stimme?): »Ich habe Kopfschmerzen.«
Sie versuchte das Fenster herunterzukurbeln, schaffte es aber nicht.
»Lassen Sie mich das machen«, sagte Montalbano. »Es klemmt manchmal.«
Er beugte sich über das Mädchen und begriff zu spät, dass das ein Fehler gewesen war.
Michela schlang plötzlich die Arme um seinen Hals. Montalbano machte erstaunt den Mund auf. Und das war der zweite Fehler. Michelas Mund bemächtigte sich des anderen Mundes, der halb geöffnet war, und machte sich mit der Zunge an eine gewissenhafte Erforschung. Montalbano gab sich einen Augenblick lang hin, dann fing er sich wieder und löste sich in einem schmerzlichen Manöver von ihr.
»Ganz ruhig«, befahl er.
»Ja, Papa«, sagte Michela mit einem amüsierten Blitzen in den veilchenblauen Augen. Er ließ den Motor an, legte den Gang ein und fuhr los.
Doch mit »ganz ruhig« hatte Montalbano nicht das Mädchen gemeint. Er hatte jenen Teil seines Körpers gemeint, der, so ermuntert, nicht nur prompt geantwortet, sondern auch mit schallender Stimme eine patriotische Hymne angestimmt hatte: »Si scopron le tombe, si levano i morti…«
»Allerheiligste Maria, Dottori! Heilige Maria, ich bin vielleicht erschrocken! Ich tu immer noch zittern, Dottori! Schauen Sie meine Hand an. Sehen Sie, wie ich zitter?«
»Ich seh's. Was ist denn passiert?«
»Der Signori und Questori hat selber persönlich angerufen und nach Ihnen gefragt. Ich hab gesagt, dass Sie jetzt im Moment nicht da sind, und dass wenn Sie wieder da wären, dass ich Ihnen dann gleich sagen würde, dass er Sie sprechen will. Aber er, also ich meine den Signori und Quistori, der hat mich gefragt, ob sonst ein Vorsitzender da wär.«
»Vorgesetzter, Catare.«
»Ist doch egal, Dottori, Hauptsache, man versteht's. Da hab ich zu ihm gesagt, dass der Dottori Augello jetzt dann heiratet und schon Urlaub hat. Wissen Sie, was der Signori und Quistori da gesagt hat? >Das ist mir scheißegal! < Genau das hat er gesagt, Dottori! Und dann hab ich gesagt, dass kein anderer Vorsitzender da war, weil Fazio auch weg war. Und dann hat er mich gefragt, wie ich heiße, und ich hab gesagt, Catarella. Und dann hat er gesagt: >Hör zu, Santarella<, und dann war ich so frei und hab ihn verbessert und hab gesagt >Catarella heiße ich<. Und wissen Sie, was der Signori und Quistori da zu mir gesagt hat? >Es ist mir scheißegal, wie du heißt.< Genau so. Der war auf hundertachtzig!«
»Catare, jetzt sag schon, was er wollte.«
»Er hat gesagt, dass ich Ihnen sagen soll, dass Sie vierundzwanzig Stunden Zeit haben, dass Sie ihm die Antwort geben, Sie täten schon wissen, welche.« Am folgenden Tag würde der Signori und Quistori, falls die Post mitspielte, den pseudoanonymen Brief bekommen und sich wieder beruhigen. »Gibt's sonst was Neues?«
»Nichts, überhaupt nichts, Dottori!«
»Wo sind die anderen?«
»Fazio ist in der Via Lincoln, da war eine Schlägerei, Gallo ist beim Sciacchitano im Laden, weil da ein kleiner Diebstahl war.«
»Was meinst du mit >klein«
»Weil der Dieb ein dreizehnjähriger Bub ist, mit einem echten Revolver, der war so groß wie mein Arm. Und Galluzzo ist da, wo heute früh jemand eine Bombe gefunden hat, die nicht hochgegangen ist, und Imbrò und Gramaglia sind beim.«
»Schon gut, schon gut«, sagte Montalbano. »Du hast Recht, Catarè, im Westen nichts Neues.«
Er ging in sein Zimmer, während Catarella ratlos aus dem Fenster sah.
»Dottori, wie meinen Sie das, ist denn im Osten was los?«
Fazio hatte ihm anderthalb Meter Akten zum Unterschreiben auf den Tisch geladen, darauf ein Zettel: sehr dringend. Er fluchte, er wusste, dass er nicht darum herumkam.
Als er an seinem Stammplatz in der Trattoria »San Calogero« saß, kam der Besitzer, Calogero, mit verschwörerischer Miene zu ihm. »Dottore, ich hätte nunnatu. «
»Ist es denn nicht verboten, sie zu fischen?«
» Sissi, aber ab und zu wird es genehmigt, eine Kiste pro Boot zu fischen.«
»Warum redest du dann so, als wäre es eine Verschwörung?«
»Weil jeder sie will und ich nicht so viele habe.«
»Wie machst du sie? Mit Zitrone?«
»Nein, Dottore. Sterben müssen die nunnatu als Frikadellen in der Pfanne.«
Er wartete eine ganze Weile, aber es lohnte sich. Die Frikadellen, flach und knusprig, waren mit Hunderten von schwarzen Pünktchen gesprenkelt: den Augen der winzigen, frisch geschlüpften Fischchen. Montalbano aß sie andächtig, obwohl er
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