Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde
offen daliegt, und man wirft mal einen Blick darauf, zufällig, ganz aus Versehen…«
»Das ist schon mal vorgekommen, einmal. Aber wirklich zufällig! Da waren viele Briefe drin, Zettel voller Zahlen, Notizbücher und ein paar von diesen schwarzen Dingern, die wie winzige Schallplatten ausschauen.«
»Computerdisketten?«
»Genau, dieses Zeug.«
»Hatte Giacomo einen Computer?«
»Ja. Den hatte er immer in einer extra Tasche dabei.«
»Wissen Sie, ob er ans Internet angeschlossen war?«
»Commissario, ich versteh von diesen Sachen nichts. Aber ich weiß noch, wie ich mal wegen einem Rohrbruch mit ihm reden musste, wollte ich ihn anrufen, und da war das Telefon besetzt.«
»Entschuldigen Sie, Signora, warum haben Sie ihn angerufen, anstatt einen Stock hinunterzugehen und.«
»Sie glauben, es macht nichts aus, eine Treppe zu Fuß zu gehen, aber mir fällt das schwer.«
»Daran hatte ich nicht gedacht, entschuldigen Sie.«
»Ich hab's immer wieder versucht, aber es war einfach besetzt. Da hab ich mir ein Herz gefasst, bin runtergegangen und hab geklopft. Ich hab zu Jacuminu gesagt, dass er den Hörer vielleicht nicht richtig aufgelegt hat. Da hat er gesagt, dass das Telefon besetzt ist, weil er in diesem Intronet drin ist.«
»Verstehe. Hat er den Aktenkoffer und den Computer auch mitgenommen?«
»Klar hat er die Sachen mitgenommen. Hätte er sie vielleicht bei mir lassen sollen?«
Schlecht gelaunt machte er sich auf den Weg ins Kommissariat. Eigentlich hätte er sich freuen können, weil er erfahren hatte, dass Pellegrinos Unterlagen existierten und er sie wahrscheinlich mitgenommen hatte, aber bei der Vorstellung, wie in dem Fall, den man Das Spiel des Patriarchen nannte, wieder mit Computern, Disketten, CD-ROM und ähnlich nervigem Mist zu tun zu haben, wurde ihm ganz schlecht. Gott sei Dank hatte er Catarella, der ihm zur Hand gehen konnte.
Er erzählte Fazio, was er bei der ersten wie bei der zweiten Begegnung von Signora Catarina erfahren hatte. »Gut«, sagte Fazio, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte. »Angenommen, Pellegrino hat sich ins Ausland abgesetzt. Die erste Frage ist: warum? Mit Garganos Betrug hatte er nicht direkt zu tun. Höchstens so ein Spinner wie Geometra Garzullo selig wäre sauer auf ihn. Die zweite Frage ist: Wo hat er das Geld zum Bau des tollen Hauses her?«
»Aus der Geschichte mit dem Haus kann man eines folgern«, sagte Montalbano. »Was denn?«
»Dass Pellegrino sich eine Zeit lang verstecken will, er aber auf jeden Fall die Absicht hat, irgendwann, am besten, wenn Gras über die Sache gewachsen ist, zurückzukommen und sein Haus in aller Ruhe zu genießen. Warum hätte er es sonst gebaut? Es sei denn, etwas Neues, Unerwartetes ist eingetreten, weswegen er gezwungen war zu verschwinden, vielleicht sogar für immer, und das Haus war ihm dann egal.«
»Und es gibt noch was«, fuhr Fazio fort. »Klar nimmt jemand, der ins Ausland reist, Dokumente, Unterlagen und Computer mit. Aber ich glaube nicht, dass er ein Moped nach Deutschland mitnimmt, falls er überhaupt dorthin ist.«
»Ruf den Onkel an, vielleicht hat er es bei ihm gelassen.« Fazio ging hinaus und kam kurz darauf wieder. »Nein, er hat es nicht bei ihm gelassen, der Onkel weiß nichts davon. Dottore, er ist hellhörig geworden, er hat gefragt, warum wir uns so für seinen Neffen interessieren. Er wirkte besorgt, die Geschichte mit der Geschäftsreise nach Deutschland fand er ganz normal.«
»Und wir treten auf der Stelle«, lautete das Fazit des Commissario.
Schweigen wie nach einem verlorenen Fußballspiel senkte sich herab.
»Aber man kann schon noch was tun«, sagte Montalbano dann entschlossen. »Du klapperst morgen Vormittag die Banken in Vigàta ab und versuchst in Erfahrung zu bringen, bei welcher Bank Pellegrino sein Geld hat. Es ist sicher nicht die Bank, bei der Gargano war. Falls du da jemand kennst, stell doch mal fest, wie viel Pellegrino hat, ob außer seinem Gehalt noch weiteres Geld überwiesen wird, all so was. Noch einen letzten Gefallen: Wie heißt noch mal der Typ, der fliegende Untertassen und dreiköpfige Drachen sieht?«
Fazio machte ein erstauntes Gesicht, bevor er antwortete. »Er heißt Antonino Tommasino. Aber passen Sie auf, Dottore: Der ist völlig durchgeknallt, den kann man wirklich nicht ernst nehmen.«
»Fazio, was macht ein Mensch, wenn er schwer krank ist und die Ärzte mit ihrem Latein am Ende sind? Bloß um nicht zu sterben,
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