Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres

Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres

Titel: Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
nicht gelungen, weil er, der vortreffliche, hochintelligente Commissario Montalbano, ihn daran gehindert hatte. Angenommen, es handelte sich, wie Riguccio meinte, tatsächlich um eine mühsam errungene Familienzusammenführung - aus welchem Grund war das Kind dann so brutal ermordet worden? Weil es die schlechte Angewohnheit hatte, von überall abzuhauen? Aber wie viele Kinder aller Hautfarben, weiße, schwarze, gelbe, gibt es auf der Welt, die aus irgendeiner Laune heraus von zu Hause durchbrennen? Bestimmt Hunderttausende. Und werden sie deshalb mit dem Tod bestraft? Blödsinn. Was dann? Hatte dieses Kind sterben müssen, weil es zappelig war, freche Antworten gab, Papa nicht gehorchte oder seine Suppe nicht aß? Quatsch. Angesichts des Mordes erwies sich Riguccios These als lächerlich. Da musste es noch etwas geben, etwas ganz Wesentliches, was das Kind seit seiner Abreise mit sich herumgeschleppt hatte, aus welchem Land auch immer es gekommen war.
    Am besten fing er ganz von vorn an und ließ kein Detail aus, auch wenn es auf den ersten Blick völlig belanglos erschien.
    Und zwar scheibchenweise, Abschnitt für Abschnitt, ohne allzu viele Informationen anzuhäufen. Also: An besagtem Abend sitzt er im Büro und wartet, dass es Zeit wird, zu Ciccio Albanese zu gehen, um sich die Meeresströmungen erklären zu lassen und, was absolut nicht zweitrangig ist, sich die Streifenbarben von Signora Albanese zu Gemute zu führen. Da ruft der stellvertretende Questore Riguccio im Kommissariat an: Er steht am Hafen, um hundertfünfzig Flüchtlinge in Empfang zu nehmen, seine Brille ist kaputt, und er bittet um eine passende Ersatzbrille. Er, Montalbano, besorgt ihm eine und beschließt, sie ihm persönlich zu bringen. Als er am Kai ankommt, hat eines der beiden Patrouillenboote bereits die Gangway ausgefahren.
    Als Erstes steigt eine dicke Schwangere aus, die gleich zu einem Krankenwagen gebracht wird. Dann gehen vier Männer von Bord, die, als sie das Ende der Gangway fast erreicht haben, ins Wanken geraten, weil ein kleiner Junge zwischen ihren Beinen durchschlüpft. Das Kind entwischt den Polizisten und rennt auf das alte Silo zu. Er läuft sofort hinter ihm her, er weiß, dass sich der Junge nur in einer Sackgasse voller Unrat versteckt haben kann. Dem Jungen ist klar, dass er nirgendwohin mehr fliehen kann, und er ergibt sich, im wahrsten Sinn des Wortes. Montalbano nimmt seine Hand und bringt ihn zum Kai zurück, wo eine ziemlich junge Frau mit zwei kleinen Kindern am Rock verzweifelt schreit. Als die Frau den Kleinen an seiner Hand sieht, läuft sie auf ihn zu, sie muss die Mutter sein. Da sieht der Junge ihn an (dieses Detail übergehen wir lieber), die Mutter stolpert und stürzt. Die Polizisten wollen ihr aufhelfen, schaffen es aber nicht. Jemand ruft nach einem Krankenwagen .
    Stopp. Moment. Darüber müssen wir einen Augenblick nachdenken. Nein, er hat eigentlich nicht gesehen, dass jemand den Krankenwagen gerufen hätte. Bist du sicher, Montalbano? Noch mal die Szene. Doch, ich bin sicher.
    Dann nehmen wir mal an: Jemand muss den Krankenwagen gerufen haben. Aus dem Wagen steigen zwei Sanitäter aus, und einer, der dünne mit dem Schnauzbart, berührt das Bein der Frau und sagt, es sei wahrscheinlich gebrochen. Die Frau und die drei Kinder werden in den Krankenwagen verfrachtet, der Wagen fährt Richtung Montelusa davon.
    Sicherheitshalber noch mal von vorn. Brille. Kai. Schwangere steigt aus. Kind taucht zwischen den Beinen von vier Männern auf. Kind haut ab. Er hinterher. Kind ergibt sich.
    Sie gehen zur Landungsstelle zurück. Mutter sieht sie und rennt auf sie zu. Kind schaut ihn an. Mutter stolpert, fällt hin, kann nicht aufstehen. Krankenwagen kommt. Sanitäter mit Schnauzer sagt Bein gebrochen. Frau und Kinder im Krankenwagen. Wagen fährt los. Ende des ersten Abschnitts.
    Schlussfolgerung: Fast sicher hat niemand nach den Sanitätern gerufen. Sie sind von selbst gekommen. Warum? Weil sie gesehen hatten, dass die Mutter hingefallen war? Schon möglich. Und dann: Der Sanitäter diagnostiziert ein gebrochenes Bein. Und diese Aussage rechtfertigt den Transport im Krankenwagen. Wenn der Sanitäter nichts gesagt hätte, dann hätte ein Polizist den Arzt gerufen, der wie immer vor Ort war. Warum wurde der Arzt nicht hinzugezogen? Er wurde nicht hinzugezogen, weil keine Zeit war: Der Krankenwagen, der so prompt zur Stelle war, und die Diagnose des Sanitäters sorgten dafür, dass die Dinge so liefen, wie der

Weitere Kostenlose Bücher