Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres
Gläsern hinein. Er warf einen Blick ins Schlafzimmer.
Ingrid schlief in Kleidern, nur die Schuhe hatte sie abgestreift. Er wollte sie noch zehn Minuten schlafen lassen und setzte sich wieder an den Esstisch.
Dann wollen wir mal zusammenfassen, sagte er sich.
Ernesto Errera ist ein Gewohnheitsverbrecher, der vielleicht aus Cosenza stammt, auf jeden Fall aber in der Gegend aktiv ist. Er hat eine hübsche Vita, die vom Einbruchsdiebstahl bis zum bewaffneten Raubüberfall reicht.
Die Polizei fahndet nach ihm, er taucht unter. Bis dahin unterscheidet ihn nichts von Hunderten und Aberhunderten ähnlichen Kriminellen. Irgendwann kreuzt Errera in Brindisi auf.
Anscheinend hat er beste Kontakte zur albanischen Unterwelt geknüpft und ist jetzt mit der illegalen Einwanderung beschäftigt. Aber wie? Als was? Das ist nicht bekannt.
Vergangenes Jahr findet am Morgen des 11. März ein Schäfer aus der Gegend von Cosenza den zerrissenen Körper eines Mannes auf einem Eisenbahngleis. Ein Unfall, der arme Kerl ist abgerutscht und konnte dem heranfahrenden Zug nicht ausweichen. Er ist so schlimm zugerichtet, dass er nur anhand der Ausweise in seiner Brieftasche und eines Eherings identifiziert werden kann. Seine Frau lässt ihn auf dem Friedhof Cosenza beerdigen. Ein paar Monate später taucht Errera in Sizilien auf, in Spigonella. Allerdings nennt er sich Ernesto Lococo und gibt sich als Witwer und ehemaliger Tankerkapitän aus. Er führt ein scheinbar einsames Leben, obwohl er häufig telefoniert, sogar über eine Sendestation.
Eines schlimmen Tages ertränkt ihn jemand und lässt ihn verfaulen. Dann schickt er ihn aufs Meer hinaus. Und die Leiche treibt im Wasser herum und schwimmt ausgerechnet ihm, Montalbano, über den Weg.
Frage Nummer eins: Was zum Teufel wollte Signor Errera in Spigonella, nachdem er sich offiziell für tot ausgegeben hatte? Frage Nummer zwei: Wer hat ihn nicht offiziell, sondern konkret zur Leiche gemacht und warum? Es war Zeit, Ingrid zu wecken. Er ging ins Schlafzimmer.
Ingrid hatte sich ausgezogen und war unter die Bettdecke geschlüpft. Sie schlief wie ein Kind. Montalbano brachte es nicht übers Herz, sie zu wecken. Er ging ins Bad und schlüpfte dann ebenfalls ganz vorsichtig unter die Bettdecke. Sofort wehte ihn der Aprikosenduft von Ingrids Haut so intensiv an, dass ihm leicht schwindlig wurde. Er schloss die Augen. Ingrid bewegte sich im Schlaf, streckte ein Bein aus und legte ihren Unterschenkel auf Montalbanos Unterschenkel. Nach einer Weile legte sie sich bequemer zurecht: Jetzt lag ihr ganzes Bein auf ihm und hielt ihn gefangen. Da fiel ihm ein Satz ein, ein Satz, den er als Heranwachsender in einem Laienspiel gesprochen hatte: Es gibt … gerade sehr gute Aprikosen … Man spaltet sie mit zwei Fingern in zwei Hälften … wie zwei saftige Lippen …
Schweißgebadet zählte der Commissario bis zehn, dann befreite er sich mit ganz sachten Bewegungen, verließ das Bett und legte sich fluchend aufs Sofa.
Zum Kuckuck! Das hätte nicht mal der heilige Antonius geschafft!
Dreizehn
Als er aufwachte, tat ihm alles weh, auf dem Sofa zu schlafen bedeutete seit einiger Zeit, dass er sich am nächsten Morgen wie gerädert fühlte. Im Esszimmer lag ein Zettel von Ingrid auf dem Tisch.
Du schläfst wie ein Engelchen, ich fahre zum Duschen nach Hause, damit du nicht aufwachst. Ich küsse dich, Ingrid.
Ruf an.
Montalbano wollte gerade ins Bad gehen, als das Telefon klingelte. Er sah auf die Uhr: Es war knapp acht.
»Dottore, ich muss Sie sprechen.«
Er erkannte die Stimme nicht.
»Wer bist du denn?«
»Marzilla, Dottore.«
»Dann komm ins Kommissariat.«
»Nein, nicht ins Kommissariat. Könnte sein, dass die mich sehen. Ich komme zu Ihnen, Sie sind ja jetzt allein.«
Und woher wusste Marzilla, dass er erst in Gesellschaft gewesen und jetzt allein war? Lauerte er in der Nähe?
»Wo bist du denn?«
»In Marinella, Dottore. Praktisch vor Ihrer Tür. Ich habe die Frau rausgehen sehen und dann angerufen.«
»Ich lasse dich in einer Minute rein.«
Er wusch sich rasch das Gesicht und öffnete die Haustür.
Marzilla drängte sich an die Tür, als müsste er sich vor einem Regen unterstellen, den es gar nicht gab, und schob den Commissario beiseite, als er eintrat. Der Gestank von ranzigem Schweiß stieg Montalbano in die Nase. Jetzt stand Marzilla im Zimmer und keuchte wie nach einem langen Lauf, mit zerzausten Haaren, das Gesicht noch blasser, die Augen weit aufgerissen.
»Ich bin halb tot
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