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Commissario Montalbano 10 - Die schwarze Seele des Sommers

Commissario Montalbano 10 - Die schwarze Seele des Sommers

Titel: Commissario Montalbano 10 - Die schwarze Seele des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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stellten wir uns vor den Spiegel.« Und dann lehnte die junge Frau einen Augenblick lang ihren Kopf an Montalbanos Schulter. Und er begriff, dass es nicht war, weil sie Trost suchte, sondern um die tiefe Müdigkeit leichter werden zu lassen, die sie spüren musste, nachdem sie mit einem Fremden über etwas derart Intimes und Geheimes gesprochen hatte. Dann stand sie entschlossen auf und sah auf die Uhr. »Es ist schon halb vier. Wollen wir aufbrechen?«
    »Wie du willst.«
    Aber hatte sie nicht gesagt, sie könne bis fünf wegbleiben?
    Montalbano stand ein bisschen enttäuscht auf, der Kellner stürzte mit der Rechnung herbei. »Ich zahle«, sagte Adriana.
    Und zog das Geld heraus, das sie in der Jeanstasche stecken hatte.
    Doch als sie an den Platz kamen, wo sie geparkt hatten, machte sie keine Anstalten, ihren Wagen aufzuschließen. Montalbano sah sie verwirrt an. »Fahren wir mit deinem.«
    »Wohin?«
    »Wenn du mich verstanden hast, hast du auch verstanden, wohin ich fahren will. Das brauche ich dir nicht erst zu sagen.«
    Natürlich hatte er verstanden. Er hatte sogar sehr gut verstanden. Aber er machte es wie der Soldat, der nicht in den Krieg ziehen wollte.
    »Glaubst du, das ist das Richtige?«
    Sie antwortete nicht, sie blickte ihn nur unverwandt an. Und Montalbano sah ein, dass er am Ende nicht hätte Nein sagen können. Der Soldat zog in den Krieg, da gab es keinen, der ihn zurückhielt. Und außerdem knallte einem die Sonne aufs Gehirn, es war völlig unmöglich, bei dieser Hitze auch nur eine Minute länger auf dem Platz zu bleiben und weiterzudiskutieren. »In Ordnung. Steig ein.«
    Genauso gut hätte man sich auch auf einen Grill legen können.
    Montalbano weinte dem Miniventilator nach. Sie öffnete alle Fenster.
    Während der gesamten Fahrt hatte sie den Kopf mit geschlossenen Augen gegen die Nackenstütze gelehnt. Im Kopf des Commissario dagegen bohrte immer nur die eine Frage: War er nicht gerade dabei, eine Riesendummheit zu begehen? Wieso nur hatte er eingewilligt? Nur weil die Hitze auf dem Platz keine Diskussion zuließ? Das war doch nur ein Vorwand, den er dort aus dem Augenblick heraus ersonnen hatte. Die Wahrheit war, dass er nur allzu gern bereit war, dieser jungen Frau zu helfen, die…
    … deine Tochter sein könnte!, unterbrach ihn sein Gewissen.
    Misch du dich da nicht ein!, antwortete Montalbano wütend. Ich dachte an etwas völlig anderes, nämlich dass dieses arme Ding seit sechs Jahren diese ungeheure Last mit sich herumschleppt, am eigenen Leib gespürt zu haben, was ihrer Schwester widerfahren ist, und erst jetzt findet sie die Kraft, darüber zu reden und sich davon zu befreien.
    Da ist es doch nur richtig, dass ich ihr helfe.
    Du bist ja ein noch schlimmerer Heuchler als Tommaseo, sagte die Stimme seines Gewissens.
    Kaum war er auf die Straße nach Pizzo abgebogen, öffnete Adriana die Augen.
    Als sie an ihrem Haus vorbeifuhren, sagte sie: »Halt mal an.«
    Sie stieg nicht aus, sie schaute nur aus dem Fenster. »Seit damals sind wir nicht mehr hier gewesen. Ich weiß, dass Papa hin und wieder eine Frau herschickt, die das Ganze sauber und in Ordnung hält, aber wir hatten nicht mehr den Mut, im Sommer herzukommen, so wie wir das früher gemacht haben. Wir können weiterfahren.« Montalbano hatte kaum vor der Villetta Halt gemacht, als die junge Frau auch schon die Wagentür öffnete. »Musst du das wirklich tun, Adriana?«
    »Ja.«
    Er ließ das Auto offen, die Schlüssel stecken. Schließlich war ja keine Menschenseele zu sehen. Doch kaum war Adriana ausgestiegen, nahm sie seine Hand, hob sie an ihren Mund, berührte einen Augenblick lang mit ihren Lippen seinen Handrücken und hielt sie weiter fest gedrückt. Er führte sie auf die Seite der Villetta, wo man zu der versteckten Wohnung gelangte. Die Spurensicherung hatte zwei Holzbretter dort hingelegt, um das Einsteigen zu erleichtern. Das Fenster des kleinen Badezimmers war mit gestreiftem Markierungsband überklebt, dem gleichen, das man bei Straßenarbeiten benutzt. Von einem dieser Bänder hing ein Blatt mit Stempelmarken und Unterschriften herunter. Das war das Siegel. Der Commissario nahm alles weg, ging als Erster hinein und sagte zu Adriana, sie solle auf ihn warten. Er knipste die Taschenlampe an, die er mitgebracht hatte, und streifte durch alle Zimmer. Dieser Rundgang von wenigen Minuten genügte ihm, um erneut schweißgebadet zu sein. Da drinnen herrschte eine stickige Feuchtigkeit, in der man sich sofort

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