Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
Italiener, oder?«
Das musste Niedermeyer einräumen. Plötzlich schlug er sich an die Stirn. »Bin ich ein Hirsch! Die Renzingerin meint bestimmt den Claudio Topolini. Wir saßen erst ziemlich spät beieinander. Claudio ist der Juniorchef eines italienischen Lederfilialisten aus Mailand. Karl Felderer wollte diese Kette neu in die Lauben hereinnehmen. Darum drehte sich ja der ganze Streit. Claudio und sein Vater wollten in Meran den Vertrag mit Felderer unter Dach und Fach bringen. Ich hab ihn an dem Abend ein bisschen ausgehorcht, auf was für ein Preisniveau wir uns für seinen Lederramsch gefasst machen müssen.«
Pavarotti wartete. Immer eine gute Strategie.
Niedermeyer befeuchtete seine Lippen. »Ich will ja wissen, auf welche Konkurrenz ich mich einstellen muss. Man ist ja schließlich Kaufmann, oder?«
»Ist dieser Topolini vielleicht mal auf den Abort hinaus? Können Sie sich dran erinnern?«
»Keine Ahnung.« Niedermeyer grinste wieder. »Aber vermutlich schon. Wie jeder andere auch. Was oben eingefüllt wird, muss ja irgendwann unten wieder raus.«
Pavarotti zwang sich eisern zur Ruhe. »Sind die beiden Italiener immer noch in Meran?«
»Weiß ich doch nicht. Aber untergebracht waren sie im Hotel Aurora, da hinten in Obermais, im Villenviertel.« Er zeigte mit dem Daumen hinter sich, in Richtung Passer.
»Danke für die Auskünfte. Jedenfalls fürs Erste. Ich komme auf Sie zurück.«
Niedermeyer verzog das Gesicht. »Bittschön, wenn’s sich nicht vermeiden lässt. Wiedersehen.«
Im Hinausgehen blickte Pavarotti zurück. Er sah, dass Niedermeyer sein Handy aus der Tasche zog und auf dem Tastenfeld herumdrückte. Ob der jetzt wohl den Italiener vorwarnt? fragte sich der Commissario. Aber zumindest hatte er endlich ein paar interessante Ermittlungsansätze.
Er blickte auf seine Uhr. Fast fünf. Mit Lissie hatte er für den Abend bisher keine Verabredung getroffen. Er merkte, dass sie ihre Mobilnummern überhaupt nicht ausgetauscht hatten. Sehr professionell. Ob sie wohl wieder in dieser verrauchten Jugendkneipe saß? Er würde jedenfalls keinen Fuß mehr dort hineinsetzen. Vermutlich verspürte aber auch die Deutsche nach dem gestrigen Abend keine besondere Sehnsucht nach dieser Kneipe. Unwillkürlich spitzte er die Lippen und schmunzelte, als er an den Handkuss dachte.
Wahrscheinlich saß sie in irgendeiner Kaschemme und prostete sich wegen der Histörchen zu, die sie Kirchrather entlockt hatte. Egal, heute Abend musste Lissie auf jeden Fall ohne ihn auskommen. Er hatte zu arbeiten. Es war höchste Zeit, den PC anzuwerfen und eine Fallakte anzulegen, die alle Vernehmungen, Indizien, Abläufe am Mordabend, eine Zeittafel sowie eine Liste der bisherigen Verdächtigen enthielt. Es würde ein langer Abend werden. Entschlossen lenkte Pavarotti seine Schritte in Richtung Kornplatz.
* * *
Es hatte wieder angefangen zu regnen. Der Himmel war wolkenverhangen, und als Albrecht Klausner den Blick über den Kirchturm von St. Nikolaus hinaus über die einsam gelegenen Muthöfe bis hoch zur Mutspitze schweifen ließ, kam ihm der Verdacht, dass die Schneegrenze seit gestern wieder etwas tiefer gerutscht war. Meran fühlte sich heute nach Spätherbst an, kühl, fast novemberlich, und die Fremden schlichen missmutig an seinem Laden vorbei. Er hätte es sich wohl sparen können, heute aufzumachen.
Albrecht rückte seine Grappakollektion in der Auslage zurecht und trat vom Fenster zurück. Sein Blick streifte einen der kleinen Probiertische, auf dem ein Geldschein und ein Zettel lagen. »War mit einer Freundin hier, haben Deine Spätlese probiert. Ich hoffe, Du hast nichts dagegen. Luciano«. Albrecht lächelte. Richtig befreundet war er mit Pavarotti zwar nicht, dazu sahen sie sich zu selten. Aber Albrecht mochte den Commissario. Wurde ja auch Zeit, dass der sich mal mit dem schönen Geschlecht beschäftigt, dachte Albrecht. Vielleicht entwickelte Luciano dann endlich den entsprechenden Ehrgeiz, ein paar Kilos abzunehmen.
Als er die Nachricht beim Hereinkommen gelesen hatte, war Albrecht aber erst einmal zusammengezuckt. Dass Luciano gerade jetzt in Meran war, konnte nur bedeuten, dass er die Leitung im Mordfall Felderer übernommen hatte.
Angesichts der Gemengelage hielt es Albrecht im Moment für ratsam, Abstand zu ihm zu halten und sich möglichst unsichtbar zu machen. Er konnte die physische Präsenz seines Exschwagers in der kleinen Vinoteca immer noch spüren. Vielleicht lag es an dem
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