Con molto sentimento (German Edition)
genau. Als er noch ein Kleinkind war, hatten sich seine Eltern getrennt. Urs und Eva waren seit knapp vier Jahren ein Paar gewesen und Patrice meinte, dass es ein Glück gewesen sei, dass sie nicht geheiratet hatten. Seit Urs vor einem Jahr seinen Job verloren hatte, hatte er sich sehr verändert und auch mit dem Trinken angefangen. Luc hatte sich auch nicht gerade zum Positiven entwickelt. Er war bei der Polizei bekannt wegen diverser Delikte, Ladendiebstahl war da wohl noch das Harmloseste. Ganz zu schweigen davon, dass er Patrice vermöbelt hatte. Claude hatte gegenüber Patrice mehrmals erwähnt, dass er doch zur Polizei gehen und Luc anzeigen sollte. Seiner Mutter zuliebe hatte sich Patrice gescheut diesen Schritt zu gehen. Vielleicht fand er jetzt endlich den Mut dazu.
Hätte Patrice nicht die Reißleine gezogen und hätte diese Aktion seiner Mutter nicht die Augen geöffnet, dann würde sie wohl noch heute in der Wohnung mit Urs und Luc leben.
Claude hoffte, dass es nun Patrice leichter fiel mit seiner Mutter zu reden. Jetzt, wo Luc und Urs nicht mehr in ihrer Nähe waren. Doch Claude lag es auch fern seinen Freund zu etwas zu drängen. Immerhin war jeder selbst seines Glückes Schmied.
Jemand anders meldete sich jedoch bei Claude: Die örtliche Polizei. An einem Mittwoch war er gerade auf dem Weg zur Orchesterprobe, da klingelte sein Telefon und eine träge Stimme geruhte ihn darauf hinzuweisen, dass er sich noch immer nicht bei ihnen gemeldet hätte. Da musste nun zunächst Claude einmal nachfragen und schließlich kam heraus, dass er eine schriftliche Aufforderung bekommen hatte sich mit den Beamten die Videoaufnahmen der Überwachungskameras vom Flughafen anzusehen.
»Ich war mehrere Tage unterwegs auf Konzertreise, womöglich ist der Brief verloren gegangen«, verteidigte Claude sein Versäumnis.
Patrice hatte ja seinen Briefkasten geleert und mit Sicherheit hätte der ihn darauf aufmerksam gemacht, wenn ein solcher Brief in der Post gewesen wäre. Aber wie hätte Patrice den Umschlag als einen von der Polizei identifizieren sollen? Druckten die ihr Wappen darauf? Claude wusste es nicht. Der Post konnte schließlich auch einmal ein Fehler unterlaufen und so verständigte er sich mit dem Polizisten darauf, dass er Ende der Woche auf das Revier kommen würde. Daneben gab ihm der Beamte die Kontaktdaten von einem der anderen Männer durch, die ebenfalls in die Schlägerei geraten waren. Anscheinend wollten sich die beiden bei Claude für sein Einschreiten bedanken. Claude notierte die Handynummer auf einen Briefumschlag, der neben dem Telefon lag, darum würde er sich später kümmern.
Danach sprintete er zum Bus. Es regnete und daher kam das Rad heute nicht in Frage. Gerade noch rechtzeitig erreichte er die Haltestelle. Es wäre äußerst ärgerlich gewesen, wenn er ausgerechnet heute zur Probe zu spät käme, denn Claude trug an diesem Tag die alleinige Verantwortung. Professor Noblet war nicht anwesend, irgendeine Verpflichtung an einer Partneruniversität hielt ihn auf. Noch dazu, dass Federico diese Chance gewittert und sich ebenfalls entschuldigt hatte. Wahrscheinlich, weil er sein Schlafzimmer nicht mehr verlassen wollte, oder konnte, jetzt wo er seinen Alexis wieder ganz für sich alleine hatte.
Also konnte Claude die Tuttiprobe nach seinem eigenen Gusto gestalten und diese Aufregung ließ ihn das Telefonat mit der Polizei schnell vergessen.
»Wir spielen heute einmal etwas Neues. Ich habe euch letzte Woche die Noten zugeschickt.« Natürlich konnte Claude niemanden zwingen sich das neue Stück anzueignen, doch er hoffte, dass es den anderen Musikern mittlerweile wie ihm selbst erging: Das Konzertprogramm war keine Herausforderung mehr. Die Stücke waren zur Routine geworden, sogar bei den Auftritten stellte sich so manche Nachlässigkeit ein. Einfach, weil man den Noten kaum noch Beachtung schenken musste, mit den Gedanken abschweifte, weil man ganze Passagen bereits im Schlaf herunterspielen konnte. In dieser Situation würde ein ganz anderes, neues Stück Wunder wirken. So weit Claudes Theorie.
»Hast du das eigentlich arrangiert?«, Izumi wedelte mit dem Notenblatt. War ja klar, dass er der Erste war, der irgendetwas zu bemerken hatte.
»Teilweise«, gab Claude zu. Alexis war ihm eine große Hilfe bei dieser Sache gewesen. Das ursprüngliche Motiv war ja sogar Alexis‘ Idee gewesen. Vor kurzem hatte dieser ein bisschen an der Orgel hier im
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