Con molto sentimento (German Edition)
zahlreichen Krankenhausfernsehserien, die unablässig ausgestrahlt wurden, war dies nie ein gutes Zeichen und Alexis fürchtete, dass es sich auch in der Realität bewahrheitete. Sie drückte Patrices Hand und der schüttelte nur den Kopf.
Alexis hatte nicht viel von dem verstanden, was Patrice ihm in völliger Verzweiflung und Panik auf die Mailbox gesprochen hatte. Seine Mutter war wohl heute Nachmittag in einem Café zusammengebrochen. Man hatte zuerst auf einen Herzinfarkt getippt und sie war in das Klinikum eingeliefert worden. Alexis wusste auch noch, dass sie operiert werden musste und dass Patrice hier gewartet hatte.
Selbst wenn es ein Infarkt gewesen war, dann war sie doch sicherlich noch rechtzeitig versorgt worden. So schlimm konnte es schon nicht sein. Noch vor zehn Jahren war dies sicherlich eine gefährlichere Situation gewesen als heute. Die Medizin machte doch jedes Jahr Fortschritte und an einem Herzinfarkt starb man nicht gleich. So dachte er zumindest.
Patrice musste seine Schritte gehört haben, denn er sah auf und als er Alexis erkannte, erhob er sich und warf sich ihm regelrecht in die Arme. Alexis konnte nichts anderes tun, als die Umarmung völlig perplex zu erwidern. Dass Patrice sich zu einer so offenen Gefühlsbekundung hinreißen ließ, war schon auffällig genug, immerhin waren sie hier nicht in den geschützten Räumen der Wohnung. Er strich Patrice über den Kopf. In einer anderen Situation hätte er es als unendlich kitschig empfunden, doch das hier war wohl alles andere als ›normal‹.
Er starrte die Ärztin fragend an und sie zog die Schultern nach oben. »Wir haben alles für Madame Leclerk getan.«
Himmel noch mal, lernten denn alle angehenden Ärzte diese Phrasen auf der Universität auswendig? Fiel denen nichts anderes ein, was sie zu Angehörigen sagen konnten, die gerade einen lieben Menschen verloren hatten?
Merkwürdig, dass ihm ausgerechnet dies als Erstes durch den Kopf schoss. Erst danach verstand Alexis auch die Konsequenz des Gesagten: Patrices Mutter war tot.
»Was ist geschehen?« Alexis hatte nichts von einer schwerwiegenden Vorerkrankung gewusst. Natürlich war Patrices Mutter jetzt nicht unbedingt die Sportlichste gewesen, eher etwas zu mollig. Und sie hatte geraucht, aber diese Beschreibung passte auf viele Menschen und die kippten nicht einfach eines Tages um und waren Stunden später tot.
»Sie hatte ein abdominelles Aortenaneurysma, das gerissen ist.«
Abdominell hieß wohl im Bauch. Alexis war nun einmal kein Mediziner, aber er hatte auf der Schule seine Lateinstunden pflichtschuldigst abgesessen.
»Hätte man das Aneurysma früh genug entdeckt, hätte man noch etwas tun können. Aber wenn es erst einmal rupturiert ist, ist die Prognose leider nicht gut.«
Darüber hatte Alexis schon einmal etwas im Fernsehen gehört, es gab wohl recht simple Untersuchungen, mit denen man prüfen konnte, ob jemand gefährdet war. Doch waren sie wohl nicht weit verbreitet und wurden auch nicht immer von den Krankenkassen bezahlt. Hier hätte so ein Screening wohl ein Leben retten können, sofern Patrices Mutter diese Möglichkeit der Vorsorge auch beansprucht hätte. Aber das half jetzt alles nichts mehr. Sie war tot und sie hatte einen Sohn hinterlassen, der wiederum niemanden hatte an den er sich noch wenden konnte. Patrice schniefte und wischte sich mit der Hand über die Augen. Geistesabwesend reichte ihm Alexis sein Taschentuch. Ganz alte Schule, er hatte immer ein Stofftaschentuch parat. Patrice schnäuzte sich und Alexis bemerkte erst jetzt, dass die Ärztin wohl auf etwas zu warten schien.
»Möchten Sie Ihre Mutter noch einmal sehen?«, fragte sie Patrice vorsichtig und aus dessen Gesicht wich nun alle Farbe. Alexis machte sich schon darauf gefasst Patrice aufzufangen, sollte er ohnmächtig werden, doch der Junge setzte sich noch rechtzeitig auf einen der Stühle.
»Ich weiß nicht«, murmelte er und drehte das Taschentuch in seinen Händen.
Die Ärztin sah nun Alexis an, offensichtlich hielt sie ihn für einen Verwandten oder einen engen Vertrauten und hoffte, dass er mit Patrice reden würde. Aber, was sollte er da sagen? Was sagte man überhaupt in solch einer Situation? Jedes Wort, jedes noch so tiefsinnige und gut gemeinte Wort konnte Patrices Verlust nicht mindern. Nicht im Geringsten.
»Du wirst es später vielleicht bereuen, wenn du sie nicht gesehen hast«, meinte Alexis leise. Er
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