Con molto sentimento (German Edition)
schielen.
› Attention whore !‹, dachte er kopfschüttelnd, aber nichtsdestotrotz ihn im Bett zu haben, das wäre eine gute Beschäftigung für diese Nacht. Jetzt war nur leider sein Problem, dass er gar nicht der Typ ›Aufreißer‹ war. Eher selten, dass er die Männer ansprach und den ersten Schritt tat. In der Regel kam er auf seine Kosten, aber nicht, weil die Initiative von ihm ausging. Aber, wenn er bei diesem Kerl heute Nacht landen wollte, musste er sein Glück selbst in die Hand nehmen! Was konnte er schon verlieren?
Womöglich war es auch ein bisschen Heimweh und er fühlte sich deshalb so zu dem Amerikaner hingezogen. Es würde gut tun mit jemandem sich auf Englisch unterhalten zu können. Sofern es sich denn wirklich um einen Amerikaner handelte. Gareth verstand sich ziemlich gut aufs Beobachten und als er sich etwas näher an die Tanzfläche schob, konnte er einen besseren Blick auf das Objekt seiner Begierde werfen. Die Kleidung war top modisch. Eine khakifarbene Chino, körperbetont, dazu weiße Sneaker. Die Klamotten... Das musste ein Burberry-Hemd sein, wenn ihn nicht alles täuschte: Schmaler Schnitt, Rückenfalte. Erst kürzlich hatte er den neuesten Katalog durchgeblättert. Das Stück kostete gut und gerne an die 500 Euro. Das fiese war, wenn man es nicht wusste, würde man die Klamotten für absoluten Durchschnitt halten. Typisches englisches Understatement und Zurückhaltung. Typisch für die obere Schicht. Das war immerhin Gareths Arbeitsgebiet, damit verdiente er sein tägliches Brot. Also vielleicht sogar ein Engländer? Noch besser! Und ja, Gareth durfte ein bisschen mit den Vorurteilen über Engländer spielen. Immerhin war er selbst Waliser – und stolz darauf!
Jetzt hatte Gareth auch die Muse das Gesicht des Fremden einer näheren Musterung zu unterziehen. Auch, wenn er sich hier auf der Tanzfläche amüsierte, glaubte Gareth die Spuren von Augenringen zu erkennen. Vielleicht war es nur eine Täuschung des Lichts, aber zusammen mit dem dunklen Schatten auf den Wangen und Kinn des Typen, war Gareth versucht darauf zu tippen, dass der Kerl gerade einen langen Flug hinter sich hatte und sich jetzt den Jetlag einfach von den Knochen tanzte. Wie alt mochte er sein? Auch schwierig zu sagen, vielleicht in Gareths Kategorie: Mitte oder Ende zwanzig? Wirklich kniffelig dies hier zu bestimmen. Elegante, markante Gesichtszüge. Nichts Jungenhaftes oder Weiches, aber auch nicht zu schmal, um schon wieder zu streng oder verbissen zu wirken.
Eines war jedenfalls sicher, Gareth war nicht der Einzige, der ein Auge auf ihn geworfen hatte. Und solche Typen hatte dann am Abend immer die Qual der Wahl, wen sie denn abschleppten. Zumindest hatte Gareth hier einen wesentlichen Vorteil. Er als Ausländer fiel hier ebenso auf, wie der andere. Außer natürlich dieser Typ da vorn stand auf die einheimische Cuisine und Gareth fiel daher nicht in das Beuteschema. Nun, es half wohl nichts, er musste es probieren, um es herauszufinden, oder?
Genau in jenem Augenblick, als er auf den Typen zugehen wollte, schlug dieser wiederum die Augen auf und drehte sich in Gareths Richtung. Zufällig gab die Menge auch gerade den Blick auf Gareth frei und sofern es überhaupt noch möglich war: Gareths Mund wandelte sich zur Sahara. Der Typ checkte ihn ab, ganz unverhohlen. Von oben nach unten wanderte der Blick und wieder zurück. Unbewusst richtete sich Gareth zu seiner vollen Größe auf und versuchte den Augen des Unbekannten etwas entgegenzusetzen. Er hoffte, dass sein Gesicht einen etwas intelligenteren Ausdruck zeigte, als sein Hirn momentan zu leisten imstande war.
Aber anscheinend musste er wohl nicht zu dümmlich rübergekommen sein, denn der Kerl kam tatsächlich auf ihn zu. Schlenderte geradezu über die Tanzfläche und vertraute darauf, dass die anderen ihm schon ausweichen würden.
› Attention whore! ‹, dachte sich Gareth noch einmal.
Das erste Wort aus dem Mund der Typen bestätigte auch seine Vermutung bezüglich dessen Herkunft. Reinstes, geschliffenes Oxford English, die Queen hätte nicht anders geredet. Diese Tatsache fiel ihm sofort auf, die Worte, die an ihn gerichtet worden waren jedoch nicht.
»Pardon?«, meinte er und legte sich eine Hand ans Ohr. Zugegeben hier war auch nicht der passende Ort oder die Lautstärke, um sich gepflegt unterhalten zu können. Der andere hatte ihn dennoch verstanden und brachte seinen Mund nach an Gareths Ohr. Sehr nahe...
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