Con molto sentimento (German Edition)
soeben gesagt hatte. Und wahrscheinlich tat sie es auch nicht.
Patrice seufzte. »Ich konnte ihr nicht schreiben, dass ich bei Claude geblieben bin.«
»Und Claude war dieser Musiker, der auch bei euch im Haus wohnt?«, vergewisserte sie sich. »Ich verstehe nicht, was ist schon schlimm daran, wenn du bei ihm geblieben bist?«
»Claude ist schwul«, bemerkte Patrice und räumte die neuen Speicherriegel und Grafikkarten in das Regal neben dem Schaufenster. Er ließ sich damit mehr Zeit als notwendig, sein Gesicht fühlte sich an wie ein brennender Kachelofen und gegenüber Claire wollte er wenigstens noch ein bisschen Stolz bewahren.
»Was heißt denn das genau, du bist bei ihm geblieben? Habt ihr miteinander geschlafen?«, fragte sie, als er wieder hinter der Theke stand.
»Oh! Was? Nein!« Patrice starrte sie entrüstet an.
»Warum nicht? Ist doch das Normalste von der Welt«, sie zuckte mit den Schultern. Himmel, gerade von ihr hätte Patrice nicht so einen Kommentar erwartet. Immerhin war sie ein Mädchen!
»Nein, wir haben nicht...« Er konnte es nicht einmal über die Lippen bringen. Claire grinste nur wissend. »Ich habe auf der Couch gepennt. Mehr war da nicht.« Nun ja, etwas mehr war schon. Aber das brauchte sie nicht zu wissen.
Diese Enthüllung schien sie sogar regelrecht zu enttäuschen. »Ach so.« Sie zog die letzten Reste des Eiscafés durch ihren Strohhalm.
»Stehst du auf Jean?«, wollte sie wissen.
»Ganz bestimmt nicht.«
»Das wird ihm das Herz brechen.« Aber sie konnte es wohl nicht ernst meinen, denn sie kicherte leise vor sich hin. »Wir haben es schon vor einiger Zeit vermutet. Besser gesagt, Jean hat es vermutet, dass du...Tja... Aber jetzt frag mich nicht, warum er es geahnt hat. Ich fand, dass er übertreibt.«
»Danke«, meinte Patrice trocken.
»Ich würde diesen Claude ja gerne mal sehen... und Federico natürlich auch. Sagtest du nicht, morgen wären wieder Orchesterproben? Die kann man sich doch bestimmt anhören.«
»Ich glaube nicht, dass die Proben öffentlich sind«, gab Patrice zu bedenken.
»Ach Quatsch.« Sie rutschte von dem Barhocker und warf ein paar Münzen in die Trinkgelddose. »Wir gehen einfach ins Konservatorium und fragen uns durch. Wir sind ja nicht von der Presse oder so, da kommt man bestimmt rein.«
»Ich weiß nicht.«
»Ach komm schon!« Sie lachte und beugte sich über die Theke, um ihn auf die Wange zu küssen. »Bist du dabei?«
»Okay«, meinte er gedehnt. Wenn er Claude wiedersehen konnte, dann freute er sich darauf. Konnte es wirklich sein, dass er in Claude verknallt war? Irgendetwas von diesem Gedanken musste sich auf seinem Gesicht widergespiegelt haben.
»Bist du jetzt mit diesem Claude zusammen? Ist er dein Freund?«
Bei diesen Worten grinste Patrice und bevor er überhaupt nachdachte, rutschte es aus ihm heraus: »Ich glaube schon, irgendwie.«
Erst als Claire leise pfeifend den Laden verlassen hatte, dämmerte Patrice, dass er keinen blassen Schimmer hatte, ob Claude dies ebenso sah.
10
»Hör auf damit!« Claude drehte den Kopf zur Seite weg doch Honorés Finger schlossen sich sanft, aber unerbittlich um sein Kinn. Er drehte Claudes Gesicht wieder zu sich und grinste.
»Nur noch ein Mal, tut doch auch nicht weh.« Ob Honoré es wohl absichtlich so zweideutig gesagt hatte? Und das, obwohl er doch nur Claudes Augen checken wollte? Claude seufzte und blinzelte erneut, als ihm der Arzt mit der kleinen Stablampe ins Auge leuchtete. Auf jeden Fall schien Honoré zufrieden zu sein mit Claudes Fortschritten. Abgesehen von der Warnung noch zwei Wochen lang keinen Sport zu treiben, aus Rücksicht vor Claudes angeknackster Rippe.
Honoré nickte und begann seine Utensilien zusammenzupacken. »Das wars dann auch schon.«
Er hatte von seinen Eltern eine dieser klassischen Arzttaschen aus feinem schwarzen Leder, wie man sie aus dem Fernsehen kannte, zum Studienabschluss geschenkt bekommen. Honorés Name war sogar in Goldprägung auf den Griff angebracht worden. Der Arzt ging mit dieser Tasche so sorgsam um, wie Claude mit seiner Violine und bei genauerer Betrachtung war sie ja für ihn auch so etwas wie ein Instrument.
Apropos, es wurde höchste Zeit, dass Claude wieder vernünftig arbeiten konnte. Er hatte zwar nie geglaubt, dass er das einmal sagen würde, doch er vermisste die Proben mit dem Orchester mehr als schmerzlich. Ihm
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