Con molto sentimento (German Edition)
war mittlerweile so was von langweilig, da vermochten auch Federicos gutgemeinte Angebote ihm von der Videothek neue Pornofilme auszuleihen nicht aufheitern. Außerdem wer brauchte noch Videotheken zum Pornoschauen, wo es doch das Internet gab?
Patrice, der Nachbarsjunge, ja das war eine nette Ablenkung gewesen. Er hatte gerne Zeit mit ihm verbracht und Claude war auch etwas überrascht gewesen, dass sich Patrice so häufig bei ihm eingefunden hatte. Es war wohl irgendeine Art von Beschützerinstinkt gewesen, den Patrice dazu veranlasst hatte, seit dem Zwischenfall an der Bushaltestelle mindestens einmal täglich nach Claude zu sehen. Niedlich.
Der Junge war so unschuldig. Wie ein Kätzchen hatte er sich heute Nacht an Claude gekuschelt und er müsste lügen, wenn er jetzt behaupten würde, es wäre ihm unangenehm gewesen. Zumindest war es eine nette Abwechslung einmal mit jemandem im Bett zu liegen, der nicht gleich die Unterhosen herabließ und ans Eingemachte ging.
Es half wohl nichts. Claude seufzte und setzte sich auf.
»Was hast du eigentlich deinem Vater über mich erzählt?« Claude war ja am Montag nach dem Überfall in der Praxis von Honorés Vater gewesen, um mögliche Komplikationen auszuschließen. Das Nasenbluten am Sonntagmorgen hatte Honoré ziemlich nervös gemacht.
Es war nicht fair, ausgerechnet diese Frage zu stellen. Das wusste Claude. Doch es traf den Nagel auf den Kopf. Entweder Honoré bekannte sich endlich dazu, oder er würde noch weitere Jahre damit verbringen sich hinter einer Lüge zu verschanzen. Irgendwann würde die Wahrheit ans Licht kommen und je später, desto verheerender die Folgen. Da war sich Claude ganz sicher.
Honoré packte das Stethoskop weg: »Ich sagte, dass du ein Freund bist, ein alter Bekannter von der Uni.«
»Aha«, machte Claude skeptisch und schnaubte leise.
Honoré setzte sich auf die Lehne der Couch und blickte zu ihm herüber: »Was hätte ich denn sonst sagen sollen?« Er verschränkte die Arme vor der Brust und klang leicht gereizt. »Etwa, dass ich dich in der Sauna kennengelernt habe?«
»Ich würde es nicht unbedingt als ›kennenlernen‹ bezeichnen.« Claude betrachtete angelegentlich seine Finger. »Ich habe dir einen runtergeholt und dann...«
»Ich weiß noch sehr genau, was dann war«, unterbrach ihn Honoré gereizt. Interessant, dass es dem Arzt immer noch peinlich war darüber zu sprechen. Sogar noch gegenüber Claude. Honoré konnte ganz schön spießig sein.
»Du weißt nicht, wie es ist. Mein Umfeld, meine Familie... im Krankenhaus. Wenn es die Patienten erführen, dann glauben sie doch alle gleich, dass ich automatisch AIDS habe nur weil ich schwul bin.«
Claude wollte sagen, dass sich die Zeiten geändert hatten, dass dies vielleicht noch vor zehn oder zwanzig Jahren so gewesen sein mochte, aber dann hielt er inne. In Anbetracht seiner kürzlichen Begegnung war es nicht so, dass er Honorés Bedenken völlig beiseite wischen konnte. Und doch, waren es im Grunde nur Ausflüchte auf Honorés Seite! Er war noch nicht so weit sich zu seiner wahren Natur zu bekennen. Doch ausnahmsweise schwieg Claude und hielt es dem Exlover nicht vor.
Es war ja auch nicht nur die Tatsache gewesen, dass Honoré nicht bereit war offen schwul zu leben, die ihre Beziehung schwer belastet hatte. Natürlich hatte es noch andere Dinge gegeben: Honoré war mit seiner Arbeit verheiratet oder besser gesagt mit seiner Karriere und seiner Facharztausbildung zum Chirurgen. Er war ein verdammter Workaholic.
Claude hatte versucht dieses Leben zu verstehen. Er als Vollblutmusiker lebte ja auch einen etwas speziellen Lebensstil. Er musste jeden Tag mehrere Stunden an seinem Instrument üben, neben den Vorlesungen, Seminaren und Proben am Konservatorium. Dann noch die Auftritte an den Abenden mit denen er sich sein tägliches Brot verdiente, wollte er von seinen Eltern finanziell unabhängig sein. Ganz zu schweigen von den Konzertterminen mit dem Orchester, die ihn auch häufiger mal ins Ausland führten.
Doch es hatte ihm nicht gelingen wollen sich in Honorés Welt hineinzuversetzen. Vielleicht war es Honoré da mit ihm auch ganz ähnlich ergangen.
Stille herrschte in der kleinen Wohnung und keiner schien mehr etwas sagen zu wollen. Dabei hätte es noch viel Gesprächsbedarf gegeben.
»Ich werde im Herbst nach Deutschland gehen«, ergriff erneut Honoré das Wort.
Claude sah auf und nickte
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