Confusion
Kampf verfolgte«, fuhr Moseh fort, »ging mir auf, dass besagter Markt eine Art unsichtbare Hand ist, die uns alle an den Hoden festhält...«
»Halt, halt! Faselst du jetzt von irgendeinem kabbalistischen Aberglauben?«
»Nein, Jack, jetzt benutze ich tatsächlich einen Vergleich. Es gibt nämlich keine unsichtbare Hand – es könnte aber durchaus eine geben.«
»Sehr gut – bitte fahre fort.«
»Die Regeln des Marktes diktieren, dass Tutsaklar , die möglicherweise freigekauft werden, und zwar gegen hohe Summen, gut behandelt werden...«
»Und solche wie wir als Galeerensklaven enden«, sagte Jack. »Mir ist auch völlig klar, warum ich auf diesem Markt mit einem geringen Wert veranschlagt bin und die unsichtbare Hand, von der du sprachst, meine Eier fest im Griff hat. Mit den anderen verhält es sich ähnlich: Mr. Foot ist pleite, Jewgeni gehört zu einer verrückten Sekte, deren Mitglieder sich gegenseitig foltern, Dappa ist in allen Ländern südlich der Sahara Persona non grata, Vrej Esphahnians Familie ist chronisch mittellos. Señor Jeronimo ist, bei allen trefflichen Eigenschaften, die er womöglich besitzt, die mir aber bisher verborgen geblieben sind, nicht gerade der Mensch, für den irgendjemand, nachdem er eine gewisse Zeit mit ihm verbracht hat, eine größere Summe Lösegeld zahlen würde. Nyazis Geschichte kenne ich nicht, kann sie mir aber zusammenreimen. Gabriel ist auf der falschen Seite der verdammten
Welt. Alles durchaus klar. Aber van Hoek ist eine Art Marineoffizier und du bist ein intelligent wirkender Jude – warum seid ihr beide nicht freigekauft worden?«
»Meine Eltern starben an der Pest, die in Amsterdam wütete, als Cromwell uns den Außenhandel abschnitt; damals wurden viele ehrliche Holländer aus ihren Häusern vertrieben und mussten an pestverseuchten Orten Zuflucht suchen«, begann van Hoek in ziemlich verdrießlichem Ton.
»Halt, Käpt’n! Sehe ich etwa aus wie ein Rundkopf? Ich habe damit nichts zu tun!«
»Ich wurde im Städtischen Waisenhaus von staatlich bestellten Ammen gesäugt. Die Größen der Reformierten Kirche haben mich lesen und schreiben gelehrt, Gott segne sie, aber mit der Zeit wuchs ich zu einem schwierigen Jungen heran.«
»Sieh mal einer an – wer hätte das von einem kleinen, holländischen, missmutigen, rothaarigen Stiefkind erwartet?«, rief Jack aus. »Ich meine trotzdem, dass irgendein Piratenkapitän eine anspruchsvollere Verwendung für Euch hätte finden können als das Abkratzen von Bernakelmuscheln.«
»Als ich achtzehn war, froren die Kanäle zu, und König Ludwigs Truppen schwärmten auf Schlittschuhen darüber aus; sie raubten alles, was beweglich war, und den Rest brannten sie nieder. Die Holländische Republik traf Vorbereitungen, um sich in Massen nach Asien einzuschiffen. Jetzt wurden Seeleute gesucht. Man holte mich aus dem Gefängnis und zwang mich, in den Dienst der V.O.C. 2 einzutreten. Ich folgte den Flüchtlingen nach Norden und kam nach Texel, wo mir eine Seemannskiste mit Kleidung, Pfeifen, Tabak, einer Bibel und einem Buch mit dem Titel Der gottesfürchtige Seemann ausgehändigt wurde.Vierundzwanzig Stunden später befand ich mich auf einem Kriegsschiff im Ärmelkanal, das englischen Hagelgeschossen auswich und säckeweise Schießpulver geladen hatte. Das und ein Jahr als Mann an der Pumpe machte mich zum Seemann. Dreimal segelte ich nach Indien und zurück, und das machte mich zum Offizier.«
»Ausgezeichnet! Warum seid Ihr denn hier kein Offizier?«
»Ein Dutzend Jahre lebte ich in ständiger Angst vor Piraten. Schließlich wurden alle meine Albträume wahr und mein Schiff wurde mir gestohlen – an manchen Tagen kannst du es im Hafen vor Anker liegen
»Allmählich drängt sich mir der Gedanke auf, dass Ihr eine gewisse Abneigung gegen Piraten und deren Tätigkeit hegt«, sagte Jack, »wie jeder aufrechte Holländer sie hegen sollte, nehme ich an.«
»Van Hoek weigert sich, türkisch zu werden – deshalb rudert er an unserer Seite«, sagte Moseh.
»Und was ist mit dir, Moseh? Es heißt doch, Juden hielten zusammen.«
»Ich bin ein Krypto-Jude«, sagte Moseh. »Genau genommen, mehr Krypto als Jude. Aufgewachsen bin ich am Äquator. Vor der Küste Afrikas liegt eine Insel namens Sáo Tomé, die das Hoheitsgebiet immer gerade desjenigen europäischen Landes ist, das zuletzt eine Flotte hinuntergeschickt hat, um sie zu bombardieren. Viele Jahre lang wussten allerdings nur die Portugiesen von ihr, und deshalb war
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