Confusion
nicht scharf darauf, die Ladung der Galiot einem hergelaufenen Ali Baba und seinen vierzig Räubern in die Hände fallen zu sehen.
Am Mittag des zweiten Tages blieb der Wind ganz aus, und der Raïs schickte ein Dutzend Sklaven an Land, um die Galiot an Seilen zu ziehen – aus diesem Grund hatten sie in Rosetta nicht alle Sklaven freigelassen. Auf diese Weise kamen sie am späten Nachmittag zu der Stelle, wo der Nil sich in seine zwei großen Arme verzweigte: den einen, den sie bis hierher befahren hatten, und den anderen, der nach Damietta floss. Hier vertäuten sie am Abend des zweiten Tages die Galiot erneut und warteten die Nacht über. Jack hatte am frühen
Morgen Wache, und danach kletterte er in eine Hängematte auf dem Achterdeck und schlief unter freiem Himmel ein.
Als er wach wurde, ging die Sonne auf, das Schiff war unterwegs, und im Westen konnte er ein sonderbares Gelände mit eckigen Bergen ausmachen. Er setzte sich auf und erkannte, dass es Pyramiden waren. Nachdem er sich an diesen sattgesehen hatte – was eine ganze Weile dauerte -, drehte er sich zur aufgehenden Sonne um und schaute über den Nil hinweg in die Mutter der Welt.
Das kam allerdings dem Versuch gleich, sämtliche Aktivitäten in einem Ameisenhügel, alle Wörter eines Buchs oder die ganze Pracht einer Kathedrale auf einen Blick zu erfassen. Jacks Verstand war den Anforderungen, die Kairo an ihn stellte, nicht gewachsen, und so richtete er seine Aufmerksamkeit auf kleine und in der Nähe gelegene Dinge, so als wäre er ein Junge, der durch ein hohles Schilfrohr spähte. Zum Glück gab es viele solcher Dinge: Der Nil war hier mindestens so breit wie die Donau in Wien, und es wimmelte von Booten, die mit Getreide aus Oberägypten beladen waren. Die Kapitäne dieser Boote hatten über Wochen hinweg Wasserfälle überwunden und Krokodile abgewehrt und reagierten nicht besonders erfreut, als sie der schwerfälligen Galiot Platz machen sollten. So schufen die Verschwörer sich Feinde, während sie sich zum Ostufer des Flusses durchkämpften und die Galiot an einem Kai vertäuten.
Fast im selben Moment waren sie von Kamelen umringt, was nie angenehm ist, und selten wünschenswert – erst recht, wenn sie von verwegen aussehenden, bewaffneten Männern geritten oder geführt werden. Jack dachte, sie würden von wilden Nomaden überfallen, bis ihm auffiel, dass sie alle wie Nyazi aussahen und viele von ihnen lächelten. Dann hörte er Jeronimo auf Spanisch grölen: »Wenn ich für jede Fliege, die auf dir sitzt, du Biest, eine Kupfermünze hätte, würde ich das Spanische Königreich kaufen! Du stinkst schlimmer als Veracruz im Frühjahr, und an dir hängt mehr Dreck, als die meisten Tiere in einem ganzen Jahr scheißen. Du musst wirklich in voller Größe einem Misthaufen entsprungen sein, so wie Fliegen und Päpste – Gott sei meiner Seele gnädig, wenn ich das sage! Jack Shaftoe steht da, grinst mich an und denkt, dass du, Kamel, und ich wie füreinander geschaffen sind – später mache ich ihn vielleicht zu deiner Frau und du kannst ihn mit hinaus in die Wüste nehmen und mit ihm anstellen, was du willst.«
Dappa und Vrej waren weg und kümmerten sich um andere Dinge,
aber Jack erhaschte einen kurzen Blick auf Nyazi. Er hatte ein fröhliches Wiedersehen mit seinen Clanbrüdern gefeiert, und Jack war froh, dass er das nicht hatte miterleben müssen.
Nasr al-Ghuráb ließ nun sämtliche Galeerensklaven – ungefähr vierzig – auf einmal abketten und erklärte ihnen, sie könnten jetzt nach Kairo gehen und nie wiederkommen oder sich der Verschwörertruppe anschließen und sie nie mehr verlassen. Eine andere Möglichkeit gebe es für sie nicht. Innerhalb von Sekunden waren alle bis auf vier verschwunden. Zurück blieben ein nubischer Eunuch, ein Hindu, der Türke, der der Anführer von Monsieur Arlancs Riemen gewesen war, und ein Ire namens Padraig Tallow. Die ersten drei hatten irgendwie die Rechnung aufgestellt, dass ihre Chancen bei der Verschwörertruppe besser wären, während Padraig (vermutete Jack) nur sehen wollte, wie alles ausging. Monsieur Arlanc wurde vor dieselbe Wahl gestellt wie die anderen, und zu Jacks Freude entschied er sich dafür, sich auf Gedeih und Verderb den Verschwörern anzuschließen.
Sie alle machten sich emsig daran, die Goldkisten aus der Galiot hinauszuhieven und auf die Kamele zu laden, was nicht mehr als eine halbe Stunde dauerte. In Begleitung von van Hoek, Jeronimo (der von Kamelen die Nase voll
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