Confusion
Himmelslicht hereinließen. Die kleinen Fensterflügel darunter waren normalerweise geschlossen, um Lärm und Geruch der Straße dahinter abzuhalten; doch die d’Oyonnax öffnete zwei davon. Kalte Luft drang herein, was kaum eine Rolle spielte, da beide Frauen tonnenweise Kleider trugen. Es drang auch viel Lärm herein. Eliza nahm an, dass dies eine weitere Vorsichtsmaßnahme gegen etwaige Lauscher war, die ihr Ohr an Türen drückten. Doch wenn die d’Oyonnax zu denen gehörte, die sich um derlei Sorgen machten, dann war die Kapelle ein angenehmer Ort für sie. Sie enthielt keine Möbel, keine Bänke, und die Herzogin hatte sich bereits überzeugt, dass niemand hinter dem kleinen Altar kauerte. Die Kapelle war mehrere hundert Jahre älter als irgendein anderer Teil des Besitzes, ein unmodern gotisches Bauwerk, düster und trübe, und sie wäre wahrscheinlich schon längst abgerissen und durch etwas Barockes ersetzt worden, wenn nicht die Fenster und das Altarbild (die als unbezahlbare Schätze galten) sowie der vierte linke Mittelfußknochen des heiligen Ludwig (der in einem goldenen, in die Wand eingelassenen Reliquienschrein ruhte) gewesen wären.
»Pontchartrain hat heute Morgen nicht weniger als drei Botschaften hierhergeschickt, in denen er um die neuesten Nachrichten bat«, sagte Eliza, »aber ich wusste nicht, dass der contrôleur-général auch mit Euch Verbindung aufgenommen hat, Madame.«
»Seine Neugier in der Sache spiegelt vermutlich die des Königs wider.«
»Es überrascht mich nicht, dass der König darauf bedacht ist, den Verbleib seines Großadmirals zu kennen. Aber wäre es nicht passender, solche Anfragen über den Marineminister weiterzuleiten?«
Die Herzogin von Oyonnax war an einem der offenen Fensterflügel stehen geblieben und schob ihn fast ganz zu, sodass nur noch eine Art horizontale Schießscharte blieb, durch die sie auf die Straße spähen konnte. Doch nun wandte sie sich davon ab, betrachtete Eliza einige Augenblicke lang und verkündete dann: »Es tut mir leid. Ich dachte, Ihr wüsstet es vielleicht. Monsieur le Marquis de Seignelay hat Krebs. Er ist schwer krank und nicht mehr imstande, seine Pflichten gegenüber der Flotte Seiner Majestät zu erfüllen.«
»Dann ist es kein Wunder, dass der König so großen Anteil hieran nimmt – denn es heißt, der Herzog von Marlborough sei mit einer großen Streitmacht im Süden Irlands gelandet.«
»Eure Nachricht ist überholt. Marlborough hat bereits Cork genommen, und es wird jeden Moment mit dem Fall von Kinsale gerechnet. Dies alles, während de Seignelay zu krank ist, um arbeiten zu können, und d’Arcachon sich auf irgendeinem undurchsichtigen Privatabenteuer im Süden aufhält.«
Von draußen im Hof, jenseits der Hintertür der Kapelle, hörte Eliza einen gedämpften Ausbruch weiblichen Gelächters: die Herzogin von Arcachon und ihre Freundinnen. Es war merkwürdig. Ein paar Schritte in eine Richtung legten die exaltiertesten Menschen Frankreichs Bänder und Parfüm an, tauschten Klatsch miteinander aus und bereiteten sich auf die Geburtstagsfeier eines Herzogs vor. Jenseits der Grenzen des Anwesens bereitete sich Frankreich auf eine neunmonatige Hungersnot vor, da der Frost die Ernte vernichtet hatte. Im kalten Irland fielen französische und irische Festungen unter Marlboroughs Angriff, und der Marineminister wurde von Krebs zerfressen. Eliza kam zu dem Schluss, dass dieser düstere, kalte, leere Raum voller grausiger Darstellungen unseres gegeißelten, gekreuzigten und aufgespießten Herrn doch kein so schlechter Ort für eine Zusammenkunft mit der d’Oyonnax war. Jedenfalls schien diese hier eher in ihrem Element zu sein als in einem vergoldeten und mit Rüschen verzierten Salon. Sie sagte: »Ich frage mich, ob es überhaupt nötig ist, dass Ihr Monsieur le Duc umbringt. Vielleicht erledigt das der König für Euch.«
»Redet nicht auf diese Weise darüber, wenn ich bitten darf!«, fauchte Eliza.
»Es war lediglich eine Bemerkung.«
»Als der Herzog den heutigen Abend plante, war es Sommer, und alles schien nach Wunsch zu laufen. Ich weiß, was er dachte: Der König braucht Geld für den Krieg, und ich werde ihm welches beschaffen!«
»Ihr hört Euch an, als würdet Ihr ihn verteidigen.«
»Ich halte es für nützlich zu wissen, was der Feind denkt.«
»Weiß der Herzog denn, was Ihr denkt, Mademoiselle?«
»Natürlich nicht. Er sieht mich nicht als Feindin an.«
»Wer tut es dann?«
»Pardon?«
» Irgendwer
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