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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Monseigneur«, sagte d’Avaux und sah mit gefurchter Stirn zu, wie behände der junge Arcachon sich zu Boden sinken ließ und seine vorherige Pose wieder einnahm.
    »Tötet mich, Mademoiselle!«
    »Pardon, Monsieur?«
    »Mein Leiden ist unerträglich. Bitte macht ihm ein Ende, indem Ihr diesen prächtigen Dolch dort nehmt und ihn mir in die Brust stoßt.«
    »Aber ich habe nicht den Wunsch, Euch zu töten, Monsieur de Lavardac«, sagte Eliza und warf d’Avaux einen bösen Blick zu; doch dieser war viel zu verblüfft, um es zu bemerken.
    »Dann gibt es nur noch eine Möglichkeit, wie meinem Leiden ein Ende gemacht werden kann; doch darauf wage ich nicht zu hoffen«, sagte Étienne. Und sein Blick fiel auf den goldenen Ring.
    »Eure Rede ist faszinierend – aber wunderlich dunkel«, sagte Eliza. Vorsichtig bewegte sie sich durch den Mittelgang auf Étienne zu. D’Avaux, der nicht wegkonnte, hielt sich im Hintergrund bereit.
    »Ich würde mich deutlicher ausdrücken, aber Ihr seid ein so wunderbares Geschöpf, und ich bin ein so elender Vagabund, dass es unverzeihlich rüde wäre, meinem Verlangen Ausdruck zu verleihen.«
    »Dazu habe ich einiges anzumerken. Erstens, Ihr mögt mich übermäßig loben, aber ich verzeihe Euch. Zweitens, ich weiß einiges von Vagabunden, und Ihr seid keiner. Drittens, wenn Ihr rüde sein müsst, um zu äußern, was Euch beschäftigt, dann seid bitte rüde. Denn wenn man bedenkt, was Ihr Euch anscheinend zu fragen anschickt...«
    Die Kapellentür sprang krachend auf, und herein stürmte ein Offizier, der die gleichen Regimentsfarben wie Étienne, aber weniger Federn trug. Er blieb im Mittelgang stehen, wurde weiß wie eine frisch gepflückte Orchidee und brachte kein Wort heraus.

    Doch jeder wusste, was er sagen würde. Eliza kam zuerst damit heraus. »Monsieur, Ihr habt Neuigkeiten von Monsieur le Duc?«
    »Verzeiht mir, Mademoiselle – ja – mit Verlaub – seine Kutsche ist gesichtet worden, sie naht mit großer Geschwindigkeit -, er wird in einer Stunde hier sein.«
    »Hat man den Palais du Louvre davon unterrichtet?«, fragte Étienne.
    »Genau wie Ihr befohlen habt, Monsieur.«
    »Schön. Ihr könnt wegtreten.«
    Der Offizier war mehr als froh darüber, wegtreten zu können. Er warf einen letzten glasigen Blick in die Runde, verbeugte sich und zog sich rückwärts durch den Mittelgang zurück. Als er sich mit dem Hintern voran zur Tür hinausschob, rammte er jemanden, der gerade hereinzukommen versuchte. Es kam zu einem Austausch unterwürfiger Entschuldigungen; dann schritt eine mit Kutte und Kapuze angetane Gestalt herein, die wie der Tod ohne Sense anmutete. Der so Gekleidete zog die Kapuze zurück, und zum Vorschein kamen das blasse Gesicht, die dunklen Augen und das sorgfältig gestutzte Gesichtshaar von Pater Édouard de Gex; und seine Miene verriet, dass er ebenso überrascht, um nicht zu sagen beunruhigt von dem sich bietenden Bild war wie jeder andere.
    »War das etwa alles geplant?«, verlangte Eliza zu wissen.
    »Ich erhielt eine anonyme Nachricht, ich solle mich bereithalten, kurzfristig das Sakrament der Ehe zu vollziehen«, sagte de Gex, »aber...«
    »Ich solltet Euch besser bereithalten, das Sakrament der Letzten Ölung zu vollziehen, falls der junge d’Arcachon nicht endlich Worte findet oder diesen Dolch wegsteckt, und was die kurze Frist angeht – nun, ein bisschen mehr Zeit braucht eine Dame schon!« Und sie stürmte zur Kapelle hinaus.
    »Mademoiselle!«, rief de Gex mehrmals, während er ihr durch eine Galerie nachlief; doch sie hatte nicht die leiseste Absicht, sich zurückrufen zu lassen, und ignorierte ihn deshalb, bis sie sich in sicherer Entfernung von der Kapelle befand und einen stärker frequentierten Teil des Hauses erreicht hatte. An dieser Stelle holte de Gex sie schließlich ein. »Mademoiselle!«
    »Ich gehe nicht zurück.«
    »Ich habe nicht vor, Euch dazu zu bereden. Ihr seid diejenige, die ich sprechen wollte. Denn als Monsieur Rossignol und ich Nachforschungen über Euren Verbleib anstellten, hieß es, Ihr wärt in die Kapelle gegangen. Ich hatte keineswegs die Absicht zu stören...«

    »Ihr habt nichts gestört. Warum wart Ihr bei Monsieur Rossignol?«
    »Er hat neue Botschaften von den Esphahnians.«
    »Von wem?«
    »Von den Armeniern. Kommt. Bitte. Seid so freundlich. Es ist wichtig.«
     
    Pater Édouard de Gex begleitete Eliza so rasch zur Bibliothek, wie er gehen konnte, was bedeutete, dass er ständig vorauseilte. Der direkteste

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