Confusion
einer Königin. Das hat eine ganze Kette von
Weiterungen und Neuausrichtungen in Gang gesetzt, die den Höflingen an der Leinestraße noch auf Jahre hinaus Stoff zum Schwatzen liefern werden. Einige der Weiterungen sind natürlich finanzieller Natur, und so haben Bankiers aus dem gesamten Reich bei Sophie und Ernst August vorgesprochen, um ihre Glückwünsche zu entbieten und festzustellen, ob sie dem neuen Kurfürstentum zu Diensten sein können. Für mich ist das alles so interessant wie die Physik für sie; außer dass einer dieser Besucher Lothar war. Sophie und Ernst August haben ihn eingeladen, mit ihnen in Schloss Herrenhausen, außerhalb von Hannover, zu dinieren. Beim Ergänzen der Gästeliste hat der Kammerherr meinen Namen daraufgesetzt, was naheliegend erschienen sein muss, da ich Leipziger bin und meine Familie gewisse Verbindungen zu der von Hacklhebers hat. Von meiner Verbindung zu Euch oder von der Peinlichkeit, die sich aus der Sache Jean-Jacques ergäbe, wussten sie nicht das Geringste; in der Tat ist Sophie so kultiviert und übt einen so kultivierenden Einfluss auf Ernst August aus, dass es ihnen niemals in den Sinn käme, einer ihrer Gäste könnte einer Gräueltat wie Kindesraub schuldig sein. Und so luden sie mich und Lothar in aller Unschuld zu demselben Diner ein und setzten uns auch noch einander gegenüber!
Wie es ist, einem solchen Mann ein ganzes langes Diner hindurch gegenüberzusitzen, kann ich nicht schildern, ohne Euch auf vierzehn Tage den Appetit zu verderben. Ich beschränke meinen Bericht daher auf das Tischgespräch. Es drehte sich zum großen Teil um den Krieg und war mehr oder weniger interessant; doch Ihr hört dort bestimmt von nichts anderem, weshalb ich zu dem übergehen werde, was Euch persönlich betrifft.
Lothar, so dürft Ihr nicht vergessen, war nur zu einem Zweck hier, nämlich um Sophie und Ernst August mit seiner Intelligenz, seinem Weitblick und seinen vielen Verbindungen in der Welt zu beeindrucken; und so wagte er zu einem bestimmten Zeitpunkt am Abend, nachdem man ein bestimmtes Quantum getrunken hatte, eine Voraussage über den Frühjahrsfeldzug. Denn wie kann ein Bankier einen potenziellen Kunden besser beeindrucken als dadurch, dass er die Zukunft voraussagt und recht behält?
Frankreich, sagte er voraus, werde im Nordwesten bald eine Demütigung erleiden – er benutzte das deutsche Wort Fehlschlag.
Er ließ deutlich durchblicken, dass dieser sich auf englischem Boden oder in dessen Nähe ereignen werde.
Natürlich lässt sich Sophie von solcher Theatralik nicht ohne weiteres beeindrucken. Sie sagte: »Wenn Ihr Euch dieser Voraussage so sicher seid, Baron von Hacklheber, warum lasst Ihr Euren Worten dann nicht Einsätze folgen? Denn Euer Mund mag groß sein, doch wir alle wissen, dass Eure Börse noch größer ist.« Das rief, selbst bei Lothar, Gelächter hervor. Als die allgemeine Heiterkeit sich gelegt hatte, verkündete er, er werde sehr bald eine entsprechende Wette platzieren – das heißt er beabsichtige, so über die Ressourcen seiner Bank zu disponieren, dass er Geld gewinnen würde, falls der Fehlschlag wie von ihm vorausgesagt einträte. Und um seine Behauptung weiter zu untermauern, gelobte er, einer von Sophie zu benennenden wohltätigen Einrichtung eine bestimmte Summe zu spenden, die aus seinen Gewinnen aus der Wette bestritten würde, falls sie welche abwerfe, und aus seiner eigenen Börse, falls seine Voraussage sich als falsch erweisen würde.
Von Sophie befragt, wie er sich dessen so sicher sein könne, wandte er den Blick in meine Richtung und sagte, er kenne in Frankreich Personen von beträchtlichem Einfluss und Wohlstand, die früher unverschämt zu ihm gewesen, in jüngster Zeit aber zur Räson gebracht worden seien – tatsächlich verwendete er den Ausdruck bei Fuß gehen, ein Kommando bei der Abrichtung von Hunden. Ihr seht also, Eliza, warum es mir so sehr widerstrebt, als Kanal für derlei Informationen zu fungieren. Selbst diejenigen Tischgäste, die nicht wussten, wovon Lothar sprach, fanden es ein wenig abstoßend.
So weit meine Neuigkeiten, wie von Euch erbeten. Offen gesagt sehne ich mich nach den Tagen zurück, in denen meine Briefe an Euch von Naturphilosophie handelten. Vielleicht können wir solche Diskussionen in künftigen glücklicheren Zeiten wiederaufnehmen. Bis dahin habe ich die Ehre etc.,
Leibniz
PS Ihr batet außerdem um Neuigkeiten von Eurer Freundin Prinzessin Eleonore und ihrer Tochter Prinzessin
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