Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
Vom Netzwerk:
einschließlich des Zustandes unserer Handelsbeziehungen zu Indien. Mein Kopf ist mit mehr Informationen angefüllt, als er zu fassen vermag, und für mich sind sie allesamt nutzlos. Nach der Invasion müssen wir uns im Café Esphahan wiedersehen, dann werde ich Euch alles erzählen, was ich weiß.

Samuel Bernard an Eliza
    23. MAI 1692
    Madame la Comtesse,
    beigeschlossen findet Ihr fünf Wechsel, jeder über einen Betrag von einhunderttausend livres tournoises und jeder – vorderhand – auf Euch ausgestellt. Letztlich sind sie auf das französische Schatzamt in Person von Monsieur le Comte de Pontchartrain gezogen. Vielleicht fällt Euch, wenn Ihr ihn seht, eine Form ein, in der Ihr ihn höflich daran erinnern könnt, dass die Kreditkette durch den Unterfertigten, meinen Freund Monsieur Castan und diverse Angehörige des Dépôt von Lyon verläuft.
    Es ist gut, dass ich nach Lyon gereist bin, denn am Ende wurde es erforderlich, dass ich mich selbst in die Verhandlungen mit Lothar einschaltete (er war offensichtlich in Lyon anwesend, doch wir hielten uns niemals zusammen im selben Raum auf; Gerhard
Mann, sein Kommissionär, spielte in allen unseren Gesprächen den Vermittler).
    Monsieur Castan ist gewieft und fleißig, doch wenn ihm etwas unterkommt, was außerhalb seiner gewohnten Sphäre liegt, nimmt er das nicht gut auf und wird leicht nervös und dann gereizt. Dies geschah schon sehr früh in unseren Gesprächen mit dem Haus von Hacklheber. Es dauerte einige Zeit, bis ich verstand, warum: Lothar glaubt, dass es gar nicht zu der Invasion kommen bzw. dass sie, falls doch, binnen weniger Stunden in sich zusammenbrechen wird. Infolgedessen waren unsere Gespräche über die Bedingungen dieser Wechsel von einer merkwürdigen Doppelzüngigkeit. Ihr nomineller Zweck bestand darin, Truppen in England zu bezahlen, und so mussten wir die Bedingungen derart gestalten, dass wir – das heißt Frankreich – Silbermünzen in England erhalten können, während wir Lothar einen gewissen Profit realisieren lassen. In diesem Sinne habe ich bekommen, was wir wollten, nämlich ganz und gar rechtmäßige, verkehrsfähige Wechsel, die Ihr nun in Händen haltet. Doch Lothars wahre Absicht bestand, wie ich schließlich begriff, darin, bei sehr geringem Risiko einen großen Gewinn einzustreichen, indem er seine Bereitschaft erklärte, Silber für eine Invasion vorzustrecken, zu der es niemals kommen würde. Im Grunde genommen hat er uns eine Versicherung für den Fall verkauft, dass unsere Invasion fehlzuschlagen verfehlt. Es war dieser verborgene Sinn, den Monsieur Castan nicht verstanden hatte, mit dem Ergebnis, dass ihn die von ihm so empfundenen erratischen Forderungen des Hauses von Hacklheber verwirrten.
    Zu Beginn schlugen wir vor, dass die Fälligkeitsdaten der fünf Wechsel jeweils eine Woche auseinanderliegen sollten. Mit anderen Worten, wir stellten uns vor, dass unsere Agenten, beginnend kurz nach der Invasion, über einen Zeitraum von fünf Wochen etwa einmal wöchentlich einen Wechsel in London präsentieren würden, während sich unsere Armee durch Südengland in Richtung London vorkämpfte. Wir vermuteten, dass es Lothar so recht wäre, da es die Transaktion auf einen längeren Zeitraum ausdehnen und so die mit Kauf oder Transport und mit der Prägung verbundene Logistik vereinfachen würde. Zu diesem Zeitpunkt waren wir noch so naiv zu glauben, dass Lothar die Auszahlung der Wechsel als Gelegenheit sah. Später ging mir
dann auf, dass Lothar den möglichen Abschluss der Transaktion in Wirklichkeit als Risiko betrachtet, das es so weit wie möglich einzudämmen und abzumildern gilt. Demzufolge war ihm die Vorstellung, die Fälligkeitsdaten der Wechsel zu staffeln, zuwider, weil es bedeutet hätte, sich über einen Zeitraum von fast zwei Monaten einem Risiko auszusetzen (dem Risiko, einer unbekannten Person in London Silber zahlen zu müssen). Denn der erste Wechsel würde theoretisch etwa zwei Wochen nach dem Datum fällig, zu dem Lothar ihn in Lyon ausgestellt hatte, das heißt Mitte Mai. Der letzte würde theoretisch erst Mitte Juli zahlbar. Es lag in seinem Interesse, unsere Freiheit in der Sache einzuschränken, indem er darauf bestand, dass alle Wechsel nur innerhalb eines kleinen Zeitraums kurz nach dem geplanten Invasionsdatum fällig wurden. Auf diese Weise würden uns, wenn die Invasion wie geplant vonstatten ginge und auf englischem Boden ein stabiler Brückenkopf gebildet würde, nur ein paar Tage bleiben,

Weitere Kostenlose Bücher