Confusion
Sorge um Eure Sicherheit«, sagte der Marquis von Ravenscar, »und erst, nachdem etwa eine halbe Stunde verstrichen war – denn ich empfand es als recht langwierige Transaktion.«
Eliza war gerade erst zur Kutsche zurückgekehrt und strich sich noch immer die Röcke glatt. Sie war eine Stunde und zwölf Minuten in dem Gebäude gewesen. Zehn Minuten Warterei hätten Ravenscar
ungeduldig gemacht, zwanzig an den Rand eines Schlaganfalls gebracht. Zweiundsiebzig hatten ihn die ganze Palette der dem sterblichen Menschen bekannten Gefühlszustände durchlaufen lassen, und dazu noch einige, die normalerweise Engeln und Teufeln vorbehalten sind. Nun war er erschöpft, ausgelaugt. Vielleicht aber auch ein wenig in Sorge, dass sie als Nächstes noch etwas anderes würde erledigen wollen.
»Ja, my Lord?«
»Der Bursche hatte – tja, ich weiß nicht – einen etwas verblüfften Ausdruck an sich. Vielleicht habe ich es mir aber auch nur eingebildet.«
»Obacht auf Eure Zehen!« Die Warnung kam gleichzeitig von Eliza und von einem von Ravenscars Lakaien, der eine Kiste die winzige Treppe hinter Eliza hinaufgetragen hatte und sie nun ins Kutscheninnere wuchtete; ihr Gewicht überforderte ihn, sie krachte auf den Boden und ließ die Kutsche eine Zeitlang auf ihren Federn wippen und schaukeln. Eines der Pferde wieherte protestierend. »Wo soll ich die anderen hinstellen, Madame?«, erkundigte er sich.
»Es kommen noch mehr?«, rief Ravenscar aus.
»Ja, noch zehn.«
»Was wollen wir – Pardon, was wollt Ihr – denn mit so viel, äh... habt Ihr zehn gesagt? Bitte sagt mir, dass es sich um Kupfer handelt.«
Eliza klappte mit der Fußspitze den Deckel auf, und zum Vorschein kamen mehr frisch geprägte Silber-Pennys, als der Marquis von Ravenscar seit Jahren auf einem Haufen gesehen hatte. Er reagierte auf die einzig angemessene Weise: mit absolutem Schweigen. Inzwischen beantwortete sein Kutscher die Frage an seiner Stelle.
»Auf keinen Fall in die Kutsche laden, das hält die Federung nicht aus.« Er mühte sich, die erschöpften Pferde zu beruhigen, die gespürt hatten, dass die Kutsche rapide schwerer wurde. Vom hinteren Gepäckfach ertönte ein weiteres Krachen, das die Kutsche veranlasste, die Nase zu heben, dann ein drittes vom Dach, das sich durchzubiegen begann und ominöse Knackgeräusche von sich gab.
»Holt eine Droschke!«, befahl der Marquis und wandte sich mit einem Antwort heischenden Blick wieder Eliza zu.
»Was ich damit anfangen will?«
»Ja.«
»Ich werde es wohl verkaufen, und zwar zur gleichen Zeit, zu der Ihr Eures verkauft. Es ist doch etwas mehr Taschengeld, als ich während
meines Aufenthaltes in Eurer Stadt brauchen werde. Allerdings würde ich später sehr gern ins West End gehen, zum – wie heißt doch gleich der Ausdruck, den man mittlerweile dafür benutzt?«
»Ich glaube, das Wort, das Ihr sucht, lautet ›Shopping‹, Madame.«
»Ja, Shopping. Das Geld gehört natürlich dem König von Frankreich. Aber Gentleman, der er ist, würde er mir niemals ein Darlehen von ein paar Pfund Sterling missgönnen, damit ich mir ein neues Kleid anziehen kann.«
»So wenig wie ich, Madame«, sagte Ravenscar, »falls es erforderlich würde – aber le Roi hat selbstverständlich Vorrang.« Ravenscar schluckte. »Das ist ein bemerkenswerter Zufall.«
»Was für ein Zufall, my Lord?«
Von hinten drang ein mehrmaliges klirrendes Krachen an ihre Ohren: Eine Droschke hatte angehalten und wurde mit weiteren Kisten beladen. Das Geräusch stellte eine gewaltige Ablenkung für Ravenscar dar, der sich mühte, Worte aneinanderzureihen. »Unsere Fahrt zu den schönen Geschäften des West End führt uns bei Apthorp vorbei, wo...«
»Ja, richtig. Ihr möchtet Euer Silber auf den Markt bringen. Noch nicht.«
»Noch nicht!?«
»Denkt an einen Schiffskapitän, der mit geladenen Geschützen in die Schlacht segelt, bereit, eine Breitseite abzugeben. Wenn er die Nerven verliert und zu früh feuert, treffen die Kugeln ihr Ziel nicht, klatschen ins Wasser, und er blamiert sich. Schlimmer noch, er bekommt keine Gelegenheit mehr nachzuladen. So verhält es sich jetzt.«
Ravenscar schien nicht überzeugt.
»Nach unserem brieflichen Flirt, den ich ungemein genossen habe«, versuchte es Eliza, »wäre ich doch sehr enttäuscht, wenn ich den ganzen Weg nach London gereist wäre, nur um festzustellen, dass Ihr unter vorzeitigem Erguss leidet.«
» Ich muss doch sehr bitten! Madame! Ich weiß nicht, wie sich die Damen in
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