Confusion
ging schon aus der Betrachtung der Schiffe hervor.
Sie ließ ihm einen Moment Zeit, das Ganze aufzunehmen, dann sagte sie: »Wie ich hier gelandet bin? Tja, sobald ich mich von der Geburt erholt hatte -« Sie unterbrach sich und lächelte. »Was für ein lächerlicher Ausdruck; jetzt ist mir klar, dass ich mich bis zu dem Tag, an dem ich sterbe, davon erholen werde.«
Rossignol ignorierte die Bemerkung, und so nahm sie mit leichtem Erröten den Faden der Erzählung wieder auf: »Ich begann, alle meine kurzfristigen Positionen an den Amsterdamer Märkten zu liquidieren. Es wäre unmöglich, sie während eines Krieges von der anderen Seite des Meeres aus zu verwalten. Das ließ sich ohne weiteres bewerkstelligen – das Ergebnis war ein hübscher Schatz von Goldmünzen, ungefassten Edelsteinen und gewöhnlichem Schmuck, dazu Wechsel, die in London, und einige wenige, die in Leipzig zahlbar waren.«
»Aha«, sagte Rossignol, der im Kopf einen bestimmten Zusammenhang herstellte. »Das waren die, die Ihr der Prinzessin Eleonore gegeben habt.« 3
»Wie üblich wisst Ihr alles.«
»Als sie in Berlin mit Geld auftauchte, zerrissen sich die Leute dort die Mäuler. Wie es sich anhörte, wart Ihr überaus großzügig.«
»Ich buchte die Überfahrt auf einem holländischen Schiff, das mich zusammen mit mehreren anderen Passagieren von Hoek van Holland
nach London bringen sollte. Das war Anfang September. Wir hatten mit starken Winden von Nordosten zu kämpfen, die verhinderten, dass wir Richtung England vorankamen, während sie uns unaufhaltsam nach Süden, zur Straße von Dover hin, abtrieben. Um eine lange und langweilig nautische Geschichte abzukürzen, wir wurden vor Dünkirchen aufgebracht, und zwar von – voilà!«
Eliza zeigte auf das bei weitem stattlichste Schiff im Hafenbecken, ein Kriegsschiff mit einem Achterkastell, das prächtig gearbeitet und dick mit Blattgold überzogen war.
»Leutnant Jean Bart«, murmelte Rossignol.
»Unser Kapitän kapitulierte sofort, und so wurden wir ohne Gewalt von Barts Leuten geentert, die das Schiff durchsuchten und alles Wertvolle konfiszierten. Ich verlor alles. Das Schiff ging natürlich in Barts Besitz über – Ihr könnt es dort sehen, wenn Euch daran liegt, aber es macht nicht viel her.«
»Das ist noch freundlich ausgedrückt«, sagte Rossignol, nachdem er es unter den Kriegsschiffen ausgemacht hatte. »Warum um alles in der Welt duldet Leutnant Bart, dass es so dicht bei seinem Flaggschiff liegt? Das ist ja gerade so, als würde sich ein Esel den Stall mit einem cheval de bataille teilen.«
»Die Antwort lautet: die angeborene Ritterlichkeit von Leutnant Bart«, sagte Eliza.
»Wie das?«
»Nachdem wir kapituliert hatten und während wir hierher unterwegs waren, blieb einer von Barts Maaten an Bord, um alles im Auge zu behalten. Mir fiel auf, dass er sich ausführlich mit einem der anderen Passagiere unterhielt. Das gab mir zu denken. Dieser Passagier war ein belgischer Herr, der in letzter Minute an Bord gekommen war, als wir in Hoek schon in Richtung Wellenbrecher liefen. Er hatte mir seither viel Aufmerksamkeit geschenkt. Nicht die Sorte von Aufmerksamkeit, die die meisten Männer mir schenken...«
»Er war ein Spion«, sagte Rossignol, »im Sold von d’Avaux.« Es war nicht klar, ob er das lediglich vermutete oder ob er es bereits wusste, weil er die Post des Mannes gelesen hatte.
»So viel hatte ich mir auch schon zusammengereimt. Solange ich glaubte, in London zu landen, wo dieser Mann ohnmächtig sein würde, hatte mich das überhaupt nicht beunruhigt. Doch jetzt waren wir unterwegs nach Dünkirchen, wo die Passagiere auf sich allein gestellt sein würden. Ich konnte nicht absehen, was mir hier vonseiten
dieses Menschen an Unheil drohte. Und tatsächlich, als wir Dünkirchen erreichten, wurden alle Passagiere außer mir freigelassen. Mich hielt man einige Stunden fest, und in dieser Zeit gingen zwischen dem Schiff, auf dem ich mich befand, und dem Flaggschiff von Jean Bart mehrere Botschaften hin und her.
Nun wisst Ihr vielleicht, Bon-bon, dass in jedem Piraten und Freibeuter die Seele eines Buchhalters schlummert. Mancher würde freilich sagen, es verhält sich genau andersherum. Das ergibt sich daraus, dass sie ihren Lebensunterhalt mit der Plünderung von Schiffen bestreiten, und das ist ein eiliges, unordentliches, unsauberes Geschäft; der eine Pirat mag die Hasenpfote eines Herrn finden, während der Bursche zu seiner Linken einen wachteleigroßen
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