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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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hatten, ein schwieriges und anspruchsvolles Geschäft; die Versuche von Johann Georg und Magdalena Sibylle von Rochlitz waren offenkundig und schlugen fehl. Eleonore nahm so viele Kleider, wie sie in der Eile zusammenpacken konnte, und so viele Dienstboten (drei), wie Johann Georg ihr zugestand, und reiste ab, ohne noch eine Mahlzeit zu sich zu nehmen. So waren sie und Caroline in dem Witwensitz Pretzsch gelandet. Ihr Aufenthalt hier hatte sich zu einer Art Verbannung oder Haft ausgewachsen. Da sie kein eigenes Geld hatte, bestand dazu praktisch kaum ein Unterschied. Sie und Caroline schliefen in einem Zimmer und verrammelten nachts die Tür, falls Johann Georg irgendeinen schwachsinnigen Plan schmiedete, Meuchelmörder zu schicken. Caroline, wiewohl eine abnorm scharfsinnige junge Dame, was Eichhörnchen und Logarithmen anging, merkte von alledem nicht das Geringste.
     
    Als sie diese Geschichte zu Ende erzählt hatte, sah Eleonore besser aus, auch wenn sie verschwollene Augen hatte. Sie glich wieder mehr der zähen jungen Prinzessin, die Eliza vor fünf Jahren in Den Haag gekannt hatte.
    Doch was sie an Boden gewann, indem sie Eliza derart ihr Herz ausschüttete, büßte sie in wenigen Augenblicken wieder ein, als sie am achten Tag von Elizas Besuch ein überladenes Dokument öffnete und
las, das ein reitender Bote im Galopp zum Witwensitz gebracht hatte. »Was ist denn los?«, fragte Eliza. Denn sie konnte sich nicht vorstellen, was für eine Frau in Eleonores Lage als schlechte Nachricht gelten konnte; jede denkbare Veränderung, so schien es, müsste ein Schritt zum Besseren sein.
    »Es kommt vom Kurfürsten«, verkündete Eleonore.
    »Vom Kurfürsten von...?«
    »Sachsen.«
    »Eurem Mann?«
    »Ja.«
    »Was steht darin?«
    »Er hat Nachricht erhalten, dass ich eine Besucherin beherberge, deren Schönheit und Charme an sämtlichen Höfen der Christenheit berühmt sind. Es freut ihn zu erfahren, dass sein Reich von einer so vornehmen Persönlichkeit wie der Herzogin von Arcachon und Qwghlm beehrt wird, und er kündigt hiermit an, dass er und die Gräfin morgen eintreffen werden, um der Herzogin ihre Reverenz zu erweisen und ein paar Tage zu bleiben.«
    Eliza hatte die Kraft aufgebracht, sich zu einem Sessel am einzigen Fenster des Krankenzimmers zu schleppen. Beengt und heruntergekommen mochte der Witwensitz von Pretzsch wohl sein, aber er war umgeben von offenen Feldern mit schönen Bäumen zum Hinaufklettern. Ein paar Tage lang war Eliza zu ausgelaugt und teilnahmslos gewesen, um auch nur Bücher zu lesen; aber sie hatte viele Stunden in diesem Sessel zugebracht und getan, was sie nun auch tat: Sie sah Caroline und Adelaide beim Spielen zu. Die schiere Anzahl von Stunden, die sie an das Spielen verwandten, war für Eliza ein Wunder, zumal sie sich selbst hundert Jahre alt fühlte. Das war seit dem Tag ihrer Ankunft ihre einzige Form des Kontakts mit den beiden Mädchen gewesen, denn man hatte es allgemein für das Beste gehalten, Eliza unter Quarantäne zu stellen, bis es ihr wieder besser ging.
    In Decken gewickelt wie eine transportfertig gemachte Statue, rieb Eliza die Handflächen aneinander. »Hat der Kurfürst schon einmal die Blattern gehabt?«
    »Entsprechende Narben trägt er keine, soviel ich weiß. Aber da die Ehe nie vollzogen wurde, habe ich von ihm nur wenig zu Gesicht bekommen. Warum fragt Ihr?«
    »Wir haben eine weite Strecke zurückgelegt«, sagte Eliza, »und entlang der Elbe bei so vielen Städten angelegt, dass ich mir gar nicht alle
merken konnte. Angesichts dessen und angesichts der schieren Größe meiner Entourage besteht immer die Möglichkeit, dass sich unterwegs jemand angesteckt hat. Deswegen werden Reisende aus dem Ausland häufig unter Quarantäne gestellt. Nachdem ich nun so viele schöne Geschichten über den Kurfürsten von Sachsen und die Gräfin von Rochlitz gehört habe, wäre ich untröstlich, wenn ich die Gelegenheit versäumte, ihre Bekanntschaft zu machen. Aber es wäre höchst unglücklich, wenn sie sich eine Krankheit zuzögen, die wir die Elbe heraufgebracht haben. Ihr werdet sie davon in Kenntnis setzen...?«
    »Ich werde entsprechende Worte in ihre Richtung werfen«, sagte Eleonore, »ob eines hängen bleibt, kann ich nicht sagen.«
     
    »Der bei weitem raffinierteste Brauch der Türken jedoch ist die Einrichtung der Vielweiberei«, sagte Eliza.
    Der Kurfürst von Sachsen, ein wirklich prächtiger Phallus von einem Mann – ganz purpurrot, mit einem Gewirk

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