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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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beschießen. Man fühlt sich an einen alten Baron erinnert, der sich einbildet, er wäre ein wackerer Jäger, in Wirklichkeit aber zu zittrig, senil und blind ist, um etwas zu treffen, und deshalb in seinem Garten steht und auf ausgestopfte Tiere feuert, die seine Diener gegen die Hecke gelehnt haben.
    Aber das Leben und dieser Brief sind beide zu kurz, um sie an die Engländer zu verschwenden, und so werde ich gleich zur Sache kommen und bitte inständig, mir meine unverblümte Redeweise zu verzeihen.
    Meine Dienste sind in letzter Zeit sehr gefragt, da der Handel aufgrund irgendeiner Konfusion in der Welt des Geldes zum Erliegen gekommen ist. Ich verstehe es überhaupt nicht. Ihr, dessen bin ich sicher, versteht es vollkommen. Zwischen meiner vollkommenen Ignoranz und Eurem vollkommenen Wissen steht der Rest der Menschheit – unzählige Personen von größerer oder geringerer Würde, die sich einbilden, sie verstünden es. Wie es sich auch verhalten mag, diese Menschen wissen, dass Euer untertänigster und gehorsamster Diener Kapitän Jean Bart gegenwärtig der einzige Mensch in Frankreich ist, der Geld macht (ein paar kleingeistige Pedanten würden behaupten, dies liege nur daran, dass ich rechtmäßige Besitzer mit Gewalt um ihren Besitz bringe;
aber das ist eine Haarspalterei, die ich den Jesuiten überlasse, auf dass dereinst einer von ihnen an mein Sterbebett treten und mir mitteilen möge, ob ich in den Himmel oder in die Hölle komme). Nennt es, wie Ihr wollt, aber ich bringe Geld nach Frankreich und deponiere fast alles in den Schatullen des Königs, und zwar in Übereinstimmung mit gewissen Bestimmungen und Verfahren, die, so sagt man mir wenigstens, aufgestellt wurden, um mein métier, nämlich das eines Freibeuters, zu regeln. Infolgedessen finde ich bei vielen Menschen Beachtung, Ausländern wie Einheimischen, denen unsere Regierung Geld schuldet. Sie schreiben mir Briefe, machen sich auf Soiréen an mich heran, zupfen mich bei den vielen Couchées und Levées, zu denen ich eingeladen werde, am Ärmel; sie lungern vor meinem Haus herum, überholen mich auf hoher See, verfolgen mich auf Straßen und Gartenpfaden, schicken mir Wein, legen mir die verführerischsten Huren ins Bett, sprechen mich leise im Beichtstuhl an und drohen damit, mich umzubringen, dies alles in der Hoffnung, ich werde das nächste Schatzschiff mittels irgendeines Taschenspielertricks in diesen oder jenen Hafen umlenken, damit es in die Hände dieses oder jenes lokalen Amtsträgers fällt, der die Erträge auf dieses oder jenes Konto weiterleitet.
    Ihr entsinnt Euch vielleicht, dass ich Lothar von Hacklheber vor zwei Jahren eine größere Menge Silber abgenommen habe; das hat ihn sehr erzürnt, und er schrieb mir die unverschämtesten Briefe, in denen er behauptete, das Geld sei zur Deckung einer französischen Staatsschuld bestimmt gewesen, die in Lyon eingegangen worden sei. Ich antwortete seinem Vertreter, dass Lyon weit weg von Dünkirchen liege – ich erbot mich sogar, ihm eine Karte zu zeichnen -, und warf ansonsten die Hände hoch, da ich von diesen Lyoner Narrheiten wenig weiß und noch weniger wissen will. Mit der Zeit hörte von Hacklheber auf, mich dieserhalb zu belästigen; doch dann, nach einer nur allzu kurzen Frist, fing er wieder damit an und behauptete, der contrôleur-général habe es versäumt, für jene Lyoner Schuld aufzukommen. Offenbar hatten er oder seine Agenten in jedem pays nachgeforscht und waren zu dem Schluss gekommen, dass er sein Geld nur über Dieppe jemals zurückbekommen werde. Denn in jener Stadt hatte er sich mit den lokalen Amtsträgern irgendwie dergestalt geeinigt, dass ein bestimmter Teil der königlichen Einkünfte, die zufällig dort
hereinkämen, als Rückzahlung des Frankreich gewährten Darlehens an das Haus von Hacklheber gehen würde.
    Ich ignorierte ihn natürlich; allerdings blieb mir die Sache im Gedächtnis haften, denn ich entsinne mich, dass Ihr mit Lothar von Hacklheber irgendwelche Unannehmlichkeiten hattet, wenn Ihr auch keine Einzelheiten preisgeben wolltet; und in seinen Mitteilungen, die häufig überaus bizarrer Natur waren, machte er reichlich Gebrauch von Eurem Namen.
    Seit kurzem nun erhalte ich Mitteilungen ganz ähnlicher Art, und zwar von keinem anderen als dem contrôleur-général höchstpersönlich, Monsieur le Comte de Pontchartrain, dem daran liegt, dass ich es mir zur Gewohnheit mache, meine Prisen nach Le Havre zu bringen. Denn wie es scheint, hat er dafür

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