Confusion
pochender Adern und bekrönt mit einer ungeheuren, lockigen schwarzen Perücke – setzte sich ein klein wenig gerader. Ein Auge, dann das andere, schweifte in Richtung der Gräfin von Rochlitz ab. Diese entsprach genau dem, was Eliza nach Eleonores Erzählung erwarten konnte. In einen Sack gestopft und tausend Meilen weit nach Südosten geschmuggelt, hätte sie sich auf einem Sklavenmarkt in Konstantinopel für einen ganzen Stall voll arabischer Rennpferde verkaufen lassen. Von ihr zu verlangen, dass sie Konversation machte, war jedoch ein wenig so, als erwartete man von einem Hund, dass er sein Fleisch kochte, bevor er es fraß. Eliza hatte sich lieber heiser geredet, als den Mund zu halten und sich anzuhören, was die beiden versuchen würden ihr zu sagen. Und wie Stehplatzinhaber in einem Theater waren sie mehr als zufrieden damit, einfach mit offenen Augen und meist auch offenem Mund zuzusehen.
»Was Ihr nicht sagt«, meinte der Kurfürst nach einer Weile. »Wie... stellen sie das denn an?«
Eliza ließ schweigend ein, zwei Sekunden verstreichen, ehe sie ein affektiertes Kichern von sich gab. Das Kichern gehörte normalerweise nicht zu ihren Stärken. Dieses Kichern hatte sie von einer bestimmten Gräfin entlehnt, neben der sie in Versailles einmal gesessen hatte. Sie gab es nicht sehr präzise wieder, aber hier am Witwensitz von Pretzsch würde es genügen. »O Monsieur«, fuhr sie fort, »fast wäre mir Eure Zweideutigkeit entgangen.«
»Pardon...?«
»Zuerst dachte ich, Ihr meint: ›Wie haben sie den Brauch der Vielweiberei eingerichtet?‹, aber nun wird mir natürlich klar, dass Ihr in Wirklichkeit wissen wollt: ›Wie schläft der Sultan gleichzeitig mit zwei oder mehr Frauen?‹ Ich würde Euch mit dem größten Vergnügen in das Geheimnis einweihen, befürchte allerdings, dass jemand von eher prüder Veranlagung Anstoß daran nehmen könnte.« Sie machte mit dem Kopf eine kurze Bewegung zur Zimmertür hin: wonach Eleonore gelechzt hatte wie ein Gefangener, der das hohe Fenster in der Wand seiner Zelle betrachtet.
»Ich bin erschöpft«, verkündete Eleonore.
»So seht Ihr auch aus«, sagte die Gräfin, »aber vielleicht ist es ja nur das Alter.«
»Erschöpfung oder Alter – wer kann das erraten? Es soll mein kleines Geheimnis bleiben«, sagte Eleonore gleichmütig. »Es tut mir leid, die Gesellschaft so früh zu verlassen, zumal da das Gespräch gerade eine so faszinierende Entwicklung zu nehmen scheint...«
»Oder«, sagte Eliza, die Johann Georgs Blick auffing, »sich zu etwas ganz anderem entwickelt.«
»Bitte behaltet Platz!«, sagte Eleonore zu ihrem Mann, der nicht die leiseste Absicht gezeigt hatte aufzustehen. »Ich gehe zu Bett; man sieht sich wieder, wann immer Ihr Morgen früh aufsteht. Ich entschuldige mich abermals für den erbärmlichen Zustand der Zimmer.« Dies Letztere galt ihrem Mann, der nicht begriff, was sie damit sagen wollte.
»Schön«, sagte Eliza, sobald die Treppe und die Dielen im ersten Stock nicht mehr unter Eleonores Schritten knarrten. Sie war mit dem Kurfürsten von Sachsen und seiner Mätresse im Salon und hatte deren ungeteilte Aufmerksamkeit. Sie wischte sich ein wenig feuchten Putz von den Haaren. »Wo waren wir stehen geblieben? Ja, richtig, beim Triumphwagen.«
»Triumphwagen?«
»Verzeihung, so heißt die Technik, die – in jenen Ländern, die so aufgeklärt sind, dass sie die altehrwürdige biblische Praxis der Vielweiberei sanktionieren – von einem Sultan angewendet wird, wenn er sich gegenüber seinen Frauen in der Unterzahl befindet. Ich könnte versuchen, sie Euch zu beschreiben. Ein Bild wäre sehr viel anschaulicher, aber ich kann beim besten Willen nicht zeichnen. Vielleicht sollte ich sie demonstrieren. Aber ja! Das wäre am besten. Wärt Ihr so freundlich, mein lieber Kurfürst, den Tisch dort umzudrehen? Ich hole von nebenan eine Ottomane...«
»Eine was?«, bellte Johann Georg, und seine Hand fuhr ans Heft seines Degens.
»Ein Möbelstück. Wir brauchen etwas anstelle von Zügeln – meine liebe Gräfin, wenn Ihr freundlicherweise die Seidenschärpe von Eurer Taille abwickeln könntet, das wäre sehr hilfreich.«
»Aber die Schärpe hält mein...«
»…?«
»...ah, j’ai compris, Madame.«
»Ich wußte, dass Ihr es verstehen würdet, mein Fräulein.«
»Mit irgendwem musste ich ficken«, murmelte Eliza durch den Saum ihrer Decke hindurch. »Ich nehme an, Ihr haltet mich für eine Hure. Aber mein Sohn – ich meine den
Weitere Kostenlose Bücher