Confusion
bescheidenes wie die Wunden Gottes , einen Piratenköder darstellt«, sagte Jack. »Und deshalb haben wir einen Piratenmörder gebaut. Es gibt einen Grund, warum die Holländer ihre Handelsschiffe so bauen, dass sie von ihren Schlachtschiffen fast nicht zu unterscheiden sind. Warum sollten wir ein Schiff ganz aus Teakholz herstellen, wenn wir davon ausgingen, dass wir es sechs Monate nach seinem Stapellauf an ein paar Freibeuter verlieren?«
Enoch nickte. Jack war etwas ungehalten geworden.
»Nun lasst mal Eure Vermutung hören, Enoch. Ihr sagtet, dieses Schiff sehe nicht aus, als wäre es von einem Holländer gebaut. Wer war dann der Schiffsbaumeister?«
»Ein Holländer natürlich! Denn nur die lassen sich so ungeniert auf ausgefallene Ideen ein – nur sie haben das nötige Selbstvertrauen. Alle anderen ahmen sie nur nach.«
»Ihr habt recht und auch wieder nicht«, sagte Jack nach kurzer Pause, wandte sich dann ab und begann, den Strand entlang auf ein Feuer zuzuschlendern, das in den letzten paar Minuten entfacht worden war; die Sonne war nämlich inzwischen untergegangen, und über ihnen begannen die Sterne zu funkeln. »Unser Schiffsbaumeister ist ein gewisser Jan Vroom aus Rotterdam. Van Hoek hat ihn angestellt.«
»Sein Name ist wohlbekannt. Was um alles in der Welt tut er hier?«
»Zur Zeit von Vrooms Lehrjahren begegneten die V.O.C. und die Admiralität den Schiffsbauern anscheinend noch mit großem Respekt und ließen ihnen weitgehend freie Hand. Jedes Schiff wurde ein bisschen anders gebaut, je nach Klugheit – oder wie manche sagen würden, Laune – des Baumeisters. In letzter Zeit sind die Verantwortlichen der V.O.C. jedoch hochmütig geworden: Sie meinen, alles zu wissen, was man je über den Schiffsbau herausfinden wird, und haben begonnen, Größen und Abmessungen bis auf einen Viertelzoll genau festzulegen – sie wollen alle Schiffe gleich haben. Und wenn ein Schiffsbaumeister sich auch nur die geringste künstlerische Freiheit herausnimmt, nun, dann wird irgendein Konkurrent herangezogen, um Maß zu nehmen und einen Bericht zu verfassen, in dem er darlegt, wo diese Normen und Vorschriften übertreten wurden, was dem Rivalen endlose Scherereien einbringt. Worauf es hinausläuft, ist, dass Jan Vroom sich nicht gewürdigt fühlte. Und als vor ein paar Jahren ein von Würmern angenagter und verwitterter Brief von einem alten Bekannten namens Otto van Hoek bei ihm eintraf, ließ er alles stehen und liegen und nahm das nächste Schiff, das von Rotterdam ablegte.«
»Wie’s scheint, sind ihm noch mehr gefolgt«, sagte Enoch, denn jetzt waren sie nah genug, um eine Gruppe von Holländern im Halbkreis ums Feuer sitzen, sich leise unterhalten und mit brennenden Zweigen ihre Tonpfeifen anzünden zu sehen. In der Mitte saßen der rothaarige Kapitän und ein großer Mann mit ergrauendem blondem Bart, offensichtlich Jan Vroom. Um sie herum scharten sich vier jüngere Männer, die ihnen zuhörten und nickten.
»Bevor wir diese Herren unterbrechen, sollten wir hier in der Dunkelheit ein Gespräch unter vier Augen führen«, sagte Enoch.
»Ich höre.«
»Zusammen mit ebendiesen Holländern habt Ihr einen Schreiber hergebracht, der – so hatte man Euch jedenfalls gesagt – die Kunst der Kryptographie beherrschte. Diesen Schreiber ließt Ihr einen verschlüsselten Brief an mich verfassen, der lautete: ›Verehrter Enoch Root, ich brauche vierundvierzig große Seegeschütze, wenn möglich von der besten und modernsten Art, bitte um Lieferung.‹ Und mehrere Monate später entschlüsselte und las ich dieses Dokument in London – allerdings erst, nachdem irgendein Spion es abgefangen und eine Kopie davon angefertigt hatte. Jedenfalls musste ich lachen, als ich diesen Brief las. Ich hoffe, Ihr habt auch gelacht, als Ihr ihn diktiertet.«
»Ein Lächeln könnte meine Lippen umspielt haben.«
»Das ist gut, denn es war ein absurdes Ersuchen. Und wenn Ihr nicht genug Verstand gehabt hättet, es als solches zu erkennen, würde das bedeuten, dass Ihr Euch in eine Art wirrköpfigen orientalischen Despoten verwandelt hättet.«
»Enoch. Habt Ihr nun gewisse große metallene Gegenstände für mich oder nicht?«
»Die Gegenstände, von denen Ihr sprecht, sind nicht umsonst zu haben. Solche Güter erwirbt man nicht, ohne gewisse Verpflichtungen einzugehen.«
»Wollt Ihr damit sagen, dass Ihr einen Investor für uns gefunden habt? Das ist akzeptabel. Wie lauten seine Bedingungen?«
»Ihr solltet lieber
Weitere Kostenlose Bücher