Confusion
sagen, ihre Bedingungen.«
Jack begann zu schweben. Enoch klopfte ihm auf die Schulter und blickte ihn unverwandt an. Der Alchimist stand mit dem Gesicht zum Feuer da, und das Licht funkelte unheimlich in seinen erweiterten Pupillen: ein Paar rote Monde in der Nacht. »Jack, es ist nicht sie . Ihr geht es zwar gut – aber nicht so gut, dass sie ein ganzes Waffenlager um die halbe Welt schicken kann, nur weil ein Landstreicher ihr einen Brief schreibt.«
»Welche Frau kann das?«
»Eine Frau, die Ihr in Hannover einmal von einem Kirchturm aus gesehen habt.«
»Mich trifft der Schlag!«
»Und jetzt werdet Ihr, so hoffe ich, die Größe dieser Angelegenheit ermessen können.«
»Ich hätte den Brief doch nicht an Enoch Root adressiert, wenn ich nicht gewollt hätte, dass sie groß wird. Wie lauten ihre Bedingungen?«
Die roten Monde verfinsterten sich für einen Moment. Enoch seufzte. Sein heißer Atem streifte Jacks Gesicht wie eine warme Brise aus Malabar und war, jedenfalls kam es Jack so vor, von eigenartigen mineralischen Düften durchzogen.
»Investoren, die Bedingungen diktieren, gibt es überall, Jack«, sagte Enoch. »Das hier ist eine völlig andere Angelegenheit. Hier leiht Ihr nicht gegen bestimmte Bedingungen Geld von jemandem, der es anlegt. Ihr tretet in Beziehung zu einer Frau. Gewisse Dinge werden einfach von Euch erwartet. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was. Wenn Ihr und Eure Partner euch nicht so verhaltet, wie es sich für
Gentlemen gehört, werdet Ihr Euch das Missfallen der Lady zuziehen. Ist das hinreichend genau? Ist es klar?«
»Weder noch.«
»Gut! Dann war das hier ein erfolgreiches Gespräch«, sagte Enoch. »Nun muss ich Euren Partnern dieselbe aufreizende Mehrdeutigkeit vermitteln. Wenn das erledigt ist, muss ich mit der gebotenen Sorgfalt prüfen, ob...«
»Was hat das zu bedeuten?«
»Gewisse Gegenstände fehlen offenkundig – wie etwa Masten und Segel. Tauwerk. Eine Mannschaft. Ich kann die Waffen nicht freigeben, bevor ich all das nicht gesehen habe. Außerdem liegt das Schiff hier ungeschützt am Strand.«
»Wir werden es bald zu Wasser lassen und dort vollenden – wie es Tradition ist. Wenn es ein paar Kanonen an Bord hätte, wäre es eine vom Land aus schwer aufzubringende Beute.«
»Stimmt. Habt Ihr Pläne für seine Jungfernfahrt?«
»Wir dachten, wir könnten vielleicht Salpeter nach Batavia und auf dem Rückweg Gewürze zu einem der Häfen des Großmoguls bringen – Hindustanis brauchen nämlich mehr Gewürze als alle Europäer zusammengenommen, und ihnen fehlt es auch nicht an Silber, um sie zu bezahlen.«
»Das ist kein schlechter Plan, Jack. Aber morgen werdet Ihr vielleicht einen anderen haben.«
Am darauffolgenden Nachmittag gelangten sie in ein gefährliches Gebiet südlich des Schwarzen Tals von Vhanatiya. Der Carnaya-Salpeterschürfer hatte Enoch bewusst falsche Richtungsangaben gemacht, die ihn direkt in eine Marathen-Falle geführt hätten. Enoch hatte das jedoch vorausgeahnt und den Salpeterschürfer durch die Hügel verfolgt wie ein Jäger, der sich an Wild heranpirscht.
Ein paar Stunden lang schlugen sie sich durch ein höher gelegenes Gebiet, das mit tückischem Buschwerk überwuchert war. Sämtliche großen Bäume schienen schon vor langer Zeit abgehauen worden und nicht wieder nachgewachsen zu sein. Gerade als Jack zu der Überzeugung gelangt war, dass sie sich im gottverlassensten Teil der Welt rettungslos verirrt hatten, roch er Kamele, und sie stießen auf eine Karawane von Persern, die in dieselbe Richtung zog wie sie. Das war ein bisschen so, als begegnete man mitten in der Wüste Sahara einem Clan von Kilts tragenden Schotten.
Der Weg wurde breit und ausgetreten; Enoch musste seine Fähigkeiten als Spurenleser nicht mehr anwenden. Schließlich verschwanden das Buschwerk und die dornigen Pflanzen. Wie ein paar Kieselsteine, die in eine irdene Schüssel kullerten, stiegen sie in einen felsigen Krater hinab, der mit Schlackehaufen gesprenkelt und mit einem unaufhörlichen Miasma von Holzrauch gefüllt war.
»Auch wenn Ihr einen scheußlichen Geschmack habt, muss ich Euch doch meine Anerkennung für Eure Unbeirrbarkeit zollen«, murmelte Jack. »Wie kommt es, dass Ihr immer wieder an derartigen Orten landet?«
»Indem ich den Spuren von Leuten wie dem Carnaya folge«, erwiderte Enoch mit gedämpfter Stimme, einem Papisten gleich, der soeben eine Basilika betreten hat. »Nun seht Ihr, warum ich darauf bestanden habe, dass wir
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