Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl

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den Kompass auf einen anderen Felsen legte, zeigte sie in eine andere Richtung, die aber auch nicht Norden war.
    »Wenn Ihr versucht, mir einen Schrecken einzujagen, ist euch das gelungen. Lasst uns auf dem schnellsten Weg von hier verschwinden«, sagte Jack.
    Der Anblick der Ausrüstung des Carnaya hatte bei Danny und Jimmy ebenso viel Verblüffung wie Argwohn hinterlassen. »Es war einfach nur eine schwarze Substanz, nicht glänzender oder feiner als alles, was ich bisher gesehen habe«, berichtete Danny.
    »Bestimmte Edelsteine sehen so aus, wenn sie noch nicht geschliffen und poliert sind«, sagte Jack.
    »Es war alles feiner und grober Sand, nichts davon größer als ein Stecknadelkopf«, sagte Jimmy. »Aber Herrgott noch mal, waren diese Säcke schwer!«

    Enoch war der Begeisterung näher, als Jack es je bei ihm erlebt hatte. »In Ordnung, Enoch – lasst hören!«, forderte Jack ihn auf. »Ich bin hier König – also raus mit der Sprache!«
    » Dort seid Ihr nicht König«, erwiderte Enoch und nickte in Richtung Schwarzes Tal, »und ebenso wenig da, wo wir morgen hinkommen werden.«
    Jimmy und Danny verdrehten einmütig die Augen und gaben kehlige Spottlaute von sich. Sie waren ein halbes Jahr lang in Gesellschaft Enochs des Roten unterwegs gewesen.

    Jack stand an einem Strand, ließ die warme Brandung schäumend um seine wunden Füße wogen und beobachtete ein paar Hindus, die einen zerbrechlich wirkenden Bogenbohrer als eine Art Drehbank benutzten, um aus dem purpurnen Kernholz irgendeines sonderbaren Baums einen runden Holzpflock zu formen. »Pflockmacher sind eine ganz andere Kaste als die Plankenschnitzer und würden niemals untereinander heiraten, wenn sie auch an manchen Tagen des Jahres ihr Essen miteinander teilen«, bemerkte er.
    Niemand antwortete ihm; es hatte ihm nicht mal jemand zugehört. Enoch, Jimmy, Danny und Surendranath standen ein paarYard von ihm entfernt am Strand und hatten ihm den Rücken zugekehrt. Auf einer Seite wurden sie vom rötlichen Licht der Sonne beleuchtet, die (da sie sich so nah am Äquator befanden) sternschnuppengleich hinter den Hügeln unterging, die sie gerade herabgestiegen waren. Reglos wie Figuren in einem Buntglasfenster standen sie da, und dieser Vergleich war gar nicht mal so abwegig, denn ihre Köpfe waren nach hinten geneigt, ihre Lippen geöffnet, ihre Augen klar und weit, ganz ähnlich wie bei den Hirten auf den Hügeln über Bethlehem oder den drei Frauen in dem leeren Grab. Wellen wogten um ihre Knöchel und schlugen hoch bis an ihre Knie, und sie bewegten sich nicht.
    Sie betrachteten eine riesige Lady, die am Strand lag. Sie war teakfarben. Das Sonnenlicht ließ ihr Fleisch wie Eisen in der Esse erglühen. Sie war viel größer als der größte Baum, den es je gegeben hatte, und so musste sie aus vielen einzelnen Holzteilen zusammengesetzt worden sein, Teilen wie der Pflock, den der Pflockmacher unweit von Jack gerade formte, oder die Planke, die der Plankenmacher weiter drüben gewissenhaft aus einem riesigen groben Stamm herausarbeitete. Wären sie ein Jahr früher gekommen, hätten sie vielleicht gesehen, wie ihre Rippen in die Luft ragten und Schichten von Rumpfplanken
noch zurechtgeschnitten wurden, und es wäre offenkundig gewesen, dass sie letztlich aus vielen Teilen zusammengesetzt worden war. In ihrem gegenwärtigen Zustand dagegen schien es, als wäre sie gerade auf dem Strand gewachsen, und die Art, wie die Maserung des Teakholzes jede einzelne ihrer Kurven nachzeichnete, verstärkte diese Illusion nur noch.
    »Ja«, sagte Jack, nachdem er eine angemessene Zeit der Stille hatte verstreichen lassen, »manchmal denke ich, ihre Kurven sind zu perfekt, um von Menschen geformt zu sein.«
    »Sie wurden nicht von Menschen geformt , sondern nur entdeckt «, sagte Enoch Root und riskierte einen einzigen Schritt auf sie zu. Dann verfiel er wieder in Schweigen.
    Jack machte sich daran, verschiedene Arbeiten weiter oben am Strand zu inspizieren. Es waren zum größten Teil Planken- und Pflockmacher. An einer Stelle war jedoch ein Schuppen aus Schilfmatten mit einem Dach aus Palmwedeln errichtet worden. Drinnen war ein Holzschnitzer aus einer höheren Kaste mit seinen Hämmern und Meißeln am Werk; Holzspäne bedeckten den sandigen Boden und quollen auf den Strand hinaus. Jack ging hinein und nahm Surendranath als Dolmetscher mit.
    »Um Himmels willen, schaut sie doch nur an! Schaut Ihr sie bitte an? Schaut sie an!« Dann eine Pause, in der Jack Luft