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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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übereinander auf einem kleinen hölzernen Regal. Jack ging hinüber und schaute sich das längere der beiden an. Es stammte aus der Sammlung eines algerischen Korsarenkapitäns, war jedoch Gabriel Goto zufolge bestimmt mehr als hundert Jahre zuvor in Japan geschmiedet worden. In der Tat waren die Form seiner Klinge, die Art des Hefts und die Schnitzerei am Korb anders als alles, was Jack je gesehen hatte, was dafür sprach, dass es tatsächlich aus dem Land kam, das nach allem, was man hörte, das seltsamste auf der ganzen Welt war. Der Stahl der Klinge trug (wie Jack schon Jahre zuvor in Kairo bemerkt und geäußert hatte) dieselben wirbelnden Muster wie sämtliche Klingen aus Damaszenerstahl, ob es nun ein in Damaskus geschmiedetes Janitscharenschwert, ein Shamsir aus Tamerlans Schmiede in Samarkand oder ein Kitar aus dem Wootz -Tal war.
    Nachdem Jack zufrieden festgestellt hatte, dass seine Erinnerung ihn nicht trog, richtete er sich wieder auf, drehte sich um und stieß dabei fast mit dem Kopf Enoch Roots zusammen, der gerade zu derselben Erkenntnis gelangte. Zu seiner großen Befriedigung entdeckte Jack im Gesicht des Alchimisten einen Ausdruck des Erstaunens, dann einen, der nahezu ängstlich wirkte, als ihm klar wurde, was das womöglich bedeutete.

    »Hören wir uns an, was der Künstler selbst zu sagen hat«, schlug Jack vor, und nachdem er einen lichtdurchlässigen Wandschirm zur Seite geschoben hatte, konnten sie den Kieselgarten und Gabriel Goto sehen, der mit dem Rücken zu ihnen saß und einen Pinsel mit einem Tuschetropfen an der Spitze in der Hand hielt.
     
    GABRIEL GOTOS GESCHICHTE
[WIE ER SIE ENOCH ROOT IN KIRCHENLATEIN ERZÄHLTE]
     
    »Japan habe ich nie gesehen. Ich kenne es lediglich durch Bilder, die mein Vater zeichnete, von denen diese hier nur ein armseliger Abklatsch sind.
    Von den anderen habt ihr Geschichten gehört, die so kompliziert waren wie eine Barockkirche oder eine osmanische Moschee. Der japanische Weg besteht darin, einfach zu sein, so wie dieser Garten, und deshalb werde ich meine Geschichte mit so wenigen Pinselstrichen wie möglich erzählen. Und es werden immer noch zu viele sein.
    Die Männer, die Japan regiert haben, seien es nun Mönche, Kaiser oder Schogune gewesen, waren immer auf ortsansässige Ritter angewiesen, von denen jeder die Verantwortung für ein bestimmtes Stück Land übertragen bekommt – dafür, dass dieses Land gute Erträge bringt und die Menschen, die es bearbeiten, ruhig und zufrieden sind. Diese Ritter heißen Samurai, und wie die Ritter der Christenheit sind sie verpflichtet, Waffen zu führen und sie, wenn sie dazu aufgefordert werden, im Dienst ihres Herrn einzusetzen. Die Männer meiner Familie waren Samurai, soweit wir uns zu erinnern beschlossen haben. Die Gebiete, die in unserer Obhut lagen, waren von geringer Bedeutung, da sie sich in einem kalten, felsigen Hochland befanden, und von anderen Angehörigen unserer Klasse wurden wir nicht sonderlich hoch geachtet.
    Es wird erzählt, dass einer unserer Vorfahren sein Land zwischen zwei Söhnen aufteilte und dem Erstgeborenen die Reisfelder, dem anderen dagegen die Felsen gab. Beide brachten ihrerseits einen Familienzweig hervor: der eine ein reiches Geschlecht, das in der Ebene lebte und sich in Kriegen hervortat, der andere einen Clan von Gebirgsbewohnern, denen man nicht gerade Loyalität nachsagte, die aber dennoch existieren durften, weil sie auch nicht für militärische Großtaten bekannt waren.
    Die Geschichte dieser beiden Clans zieht sich durch die Jahrhunderte
und ist wie die japanische Geschichte selbst mit Komplikationen beladen – eines Tages, auf einer langen Seereise, werde ich euch vielleicht mehr darüber erzählen. Wichtig ist an dieser Stelle, dass in dem felsigen Hochland zuerst Kupfer und dann Silber entdeckt wurde. Das war vor ungefähr zweihundert Jahren, zu einer Zeit, als der Schogun abdankte und Japan für eine sehr lange Zeit aufhörte, ein geeintes Land zu sein – so wie Deutschland heute. Die ganze Macht ging von Kyoto auf die Provinzen über, und jeder Teil des Landes stand unter der Herrschaft eines Feudalherrn, des Daimyo , etwas wie Baron in Deutschland. Diese Daimyos bekämpften und bekriegten einander ohne Unterlass, so wie die Steine an einem Kiesstrand sich ständig gegenseitig abschleifen. Diejenigen, die dabei obsiegten, bauten Schlösser. Märkte und Städte entstanden rund um deren Mauern. Märkte erfordern Münzen, und so begann jeder Daimyo , seine

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