Confusion
hatte. Was genau sich an jenem Abend abgespielt hatte, davon wurde selten gesprochen, zumindest wenn Angehörige der Familie de Lavardac in Hörweite waren. Daraus schloss Eliza, dass es ihnen allen furchtbar peinlich war. Da Eliza mittlerweile in den Augen der meisten Leute mit der Familie de Lavardac verbunden war, ließ man ihr die gleiche Rücksichtnahme angedeihen und sprach in ihrer Gegenwart niemals über die Ereignisse jenes Abends. Eliza hatte es aufgegeben, jemals herauszufinden, was wirklich dort passiert war. Jack Shaftoe, der eine Zeitlang so etwas wie ein Kobold des französischen
Hofes gewesen war, ein Name, bei dessen Erwähnung die Leute erschrocken zusammenfuhren, war zu gleichsam legendärem Status verblasst und im Begriff, völlig in Vergessenheit zu geraten. Ab und zu kam er als Gestalt in einem pikaresken roman vor.
Gleichwohl war es mehr als gewagt von Upnor, den Namen Shaftoe in La Dunette überhaupt zu erwähnen. Wahrscheinlich war es ein faux pas. Dies erklärte vielleicht auch, warum der Herzog sein Gespräch mit Eliza plötzlich beendet und sich in die entgegengesetzte Richtung entfernt hatte. Dergleichen konnte leicht zu einem Duell führen. Einige von Upnors Zuhörern waren deutlich nervös. Es war daher recht geschickt von Upnor, dass er die Geschichte auf diese Weise gedreht und angedeutet hatte, Jack Shaftoe sei, falls überhaupt noch am Leben, Sklave auf einer der Galeeren des Duc d’Arcachon. Eliza riskierte einen kurzen Blick hinüber zum Herzog und sah, dass er rot im Gesicht war, aber Upnor angrinste; er bedachte Upnor mit der winzigsten Andeutung eines Nickens (alles andere hätte den Admiralshut gefährdet), das Upnor mit einer tieferen Verbeugung quittierte. Die Zuhörer, die noch vor ein paar Sekunden ein Duell befürchtet hatten, lachten umso lauter.
Upnor fuhr in der Erzählung fort. »Dieser Robert Shaftoe sagte: ›Jack und ich sind einander schon lange entfremdet, und was ich zu erledigen habe, hat nichts mit ihm zu tun.‹
Ich fragte ihn: ›Warum verstellst du mir dann den Weg?‹
Er sagte: ›Ich behaupte, Ihr seid dabei, etwas außer Landes zu schaffen, das Euch nicht rechtmäßig gehört.‹
Ich sagte: ›Beschuldigst du mich etwa, ich sei ein Dieb, Bursche?‹
›Schlimmer‹, sagte er. ›Ich behaupte, Ihr maßt Euch an, eine Sklavin zu besitzen: eine junge Engländerin namens Abigail Frome.‹
Ich sagte: ›Darin liegt keine Anmaßung, Bob Shaftoe. Ich besitze sie genauso absolut, wie du dieses erbärmliche Paar Stiefel an deinen Füßen besitzt, und ich habe Papiere, um es zu beweisen, unterschrieben und gesiegelt von Mylord Jeffreys.‹
›Jeffreys sitzt im Tower‹, sagte er. ›Euer König ist auf der Flucht. Und wenn Ihr mir Abigail nicht gebt, landet Ihr im Grab.‹
Inzwischen hatte Upnor die Zuhörer in seinen Bann geschlagen, und zwar nicht nur, weil es eine gute Geschichte war, sondern weil er es verstanden hatte, den halb vergessenen, aber immer noch machtvollen Namen Jack Shaftoe mit den jüngsten Erhebungen in England in Verbindung zu bringen. Natürlich war der französische Adel fasziniert
von der seit kurzem erkennbaren Neigung der Engländer, ihren Königen den Kopf abzuschlagen oder sie außer Landes zu jagen. Die Vorstellung, dass Wilhelm von Oranien und seine englischen Alliierten irgendwie mit sämtlichen Vagabunden der Welt im Bunde stehen mussten, übte eine Faszination auf sie aus, gegen die sie nicht ankamen.
Es war bereits zu Tisch gebeten worden, und da der Earl von Upnor wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, brachte er die Anekdote zu einem raschen, barmherzigen Ende, während er und die anderen Gäste den Gartenweg entlang zum Haupthaus strömten. In der Geschichte hielt Upnor seinem Gegenüber so etwas wie eine Moralpredigt, in der er ihn in seine Schranken wies und sich über die Segnungen des Klassensystems verbreitete, und dann galoppierte Fenleigh, der inzwischen die Furt überquert und sich ihnen von der anderen Seite genähert hatte, auf Bob zu und versuchte, ihn mit einem Schwertstoß von hinten außer Gefecht zu setzen. Bob hörte ihn im letzten Moment kommen und riss sein Langschwert herum, um den Stoß zu parieren. Fenleighs Rapier wurde in die Kruppe von Bobs erbärmlichem Klepper abgelenkt, der sich aufbäumte. Bob konnte sein Pferd nicht bändigen, weil er damit beschäftigt war, einen zweiten Hieb von Fenleigh abzuwehren (aber auch, so wurde deutlich impliziert, weil Menschen seines Ranges von
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