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Coogans Fluch (German Edition)

Coogans Fluch (German Edition)

Titel: Coogans Fluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lothar Nietsch
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Irrtum. „Teufel auch, das ist nicht möglich“, misstrauisch beugte er sich vor, aber der erste Eindruck festigte sich: Die Spuren eines Wolfes.
      „Coogans Fluch“, murmelte er, „Zumindest was deine Größe betrifft, scheint der Marshall nicht übertrieben zu haben.“ Brummend richtete er sich auf und verfolgte die Fährte mit den Augen. Wie von einer Schnur gespannt, verlor sie sich auf die Berge zuhaltend. Sie verlief parallel zu seiner eigenen und der Spur des anderen Schlittens und Jonathan beschlich ein eigenartiges Gefühl. Mit einem Mal schien ihm gewiss, dass die Schlittenfährte vom Narbigen herrührte und zugleich glaubte er zu spüren, dass die Wolfsfährte und das nächtliche Geheul nichts anderes waren als eine Aufforderung an ihn. Die Aufforderung des Wolfes ihm zu folgen.
      „Gottverdammt“, zischte er. „Hilf mir Miriam. Was hat das alles zu bedeuten?“ Die letzten Worte schrie er, aber auch diesmal blieb die Antwort aus. Eine Zeitlang starrte er zu den fernen Bergen, wo sich die beiden Fährten verloren, blickte zurück zu seiner eigenen, zuckte schließlich mit den Schultern, verstaute seine Flinte am Schlitten, nahm den Leithund beim Riemen und den Fährten folgend, stapfte er vor dem Schlitten her. Was immer dieser Wolf mit ihm oder dem Narbigen zu schaffen hatte, er würde es noch früh genug erfahren. Fürs erste genügte Jonathan, dass die Wolfsfährte ihm den Weg zu Coogans Mine wies, dessen Gold den Narbigen, ganz egal, wo der sich im Augenblick aufhalten mochte, wieder zurückführen würde.

 
    In verborgenen Hallen aus Stein, vor den Augen der Welt verborgen, beugte sich ein greiser Indianer über das Lager des Kindes. Das Gesicht des Knaben drückte Unruhe aus. Als wüsste er um die Veränderung, die seinem Schicksal widerfahren sollte. In seinen Augen glänzte Wissen, das so gar nicht zu seiner körperlichen Entwicklung passen wollte.
      „Bald schon, mein Sohn, wird sich der Wille der Mächte erfüllen. Zwei Krieger treffen aufeinander und der Sieger wird sich deiner annehmen, dich zu deiner Bestimmung führen“, sprach der Alte, der Knabe schloss die Augen. Schweigend saß der Greis neben dem Lager, grünliches, schwach pulsierendes Licht erhellte die Halle.
      Lange schon behütete er den Knaben an diesem zeitlosen Ort. Vor vielen, vielen Sommern riefen den Alten Visionen tief in die Berge der Alaska Range. Stimmen führten ihn zu dieser Stadt. Stimmen, die ihm auftrugen, diese Hallen zu bewachen und vor den Blicken der Menschen zu schützen. Diese Stadt und seinen Schatz: Das Kind. Die Mächte verrieten dem Alten nicht, woher es stammte, wer seine Eltern waren und welchem Volk es angehörte. Nur eins taten sie ihm kund: Dies sei der letzte seines Geschlechts, der letzte Spross, dem die Gabe innewohnte und es von nun an des Alten Aufgabe war, über das Kind zu wachen. Bis zu jenem Tag, an dem sich seine Bestimmung offenbare. 101 Sommer vergingen seither, doch nun, in den letzten Wochen des hundertsten Winters, sah der Alte diesen Tag in greifbare Nähe rücken. Ein weißes Mädchen, das seit einigen Monaten im Schlaf zu seinem Geist sprach, hatte davon erzählt.
      Der Alte erhob sich, etwas Wölfisches lag in seinem Blick, und er verließ die Halle. Das Kind schlief tief und ruhig. Damit erhielt der Alte Zeit genug, sich der Welt außerhalb seines Kreises zu widmen, jener, für ihn so trostlosen Welt der Weißen. Eine wohlvertraute Anspannung befiel ihn. Eine Anspannung, die ihn stets überkam, wenn sich die Zeit des Wolfes einstellte.

 
    Seit Sally ihre Gehilfin Dorothy kurz nach dem Abwasch nach Hause geschickt hatte, fand sie sich ihren Grübeleien ausgeliefert. So sehr sie sich bemühte, es gelang ihr nicht, die kreisenden Gedanken anzuhalten. Schließlich zog sie ihren Mantel über und trat in die sternklare Nacht hinaus. Sie schlenderte hinunter zum Hafen, ohne ein bestimmtes Ziel, die eisige Kälte nahm sie dabei kaum wahr. Dumpf drangen aus Ed's Saloon fröhliche, nicht mehr ganz nüchtern klingende Stimmen später Zecher. Ansonsten wiesen nur wenige erleuchtete Fenster auf noch wachende Bewohner hin.
      Die Stimmen aus dem Saloon verklangen allmählich in Sallys Rücken, vermischten sich schließlich mit den Geräuschen der Nacht, als sie leise zunächst, doch stetig anschwellend, die Laute eines eilenden Hundeschlittens vernahm. Im Schatten eines Hauses verharrte sie und lauschte.
      Die gellenden Rufe des Schlittenführers schallten bald gut

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