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Coogans Fluch (German Edition)

Coogans Fluch (German Edition)

Titel: Coogans Fluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lothar Nietsch
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auf die verlorene Fährte des Narbigen geführt und er verstand nicht, warum sie ihn nun, so kurz vor dem Ziel, alleine ließ.
      „Jonathan, begreifst du denn nicht? Du hast gelernt, deinen Weg zu finden. Gelangtest du nicht auch ohne mich an diesen Ort? Und hast du etwa nicht gelernt, deinen Zorn zu bezwingen? Erinnere dich, Jonathan.“
      „War unser Ziel nicht all die Jahre, den Narbigen zur Strecke zu bringen? War das nicht der Grund deines Erscheinens?“, erschöpft verstummte der Jäger. Warum sprach Miriam so in Rätseln? Doch irgendwie war es ihm Einerlei, es hatte kaum noch Bedeutung für ihn. Es war ihm genug, Miriam noch einmal sehen zu dürfen.
      Kaum waren seine Worte verhallt, da schien es ihm, als wüchse seine Schwester. Zornig blitzten ihre Augen, ihre Stimme erfüllte die Luft, hallte durch endlose Gänge als sie sagte: „Deine Zeit ist noch nicht gekommen, Jonathan. Dein Schicksal wird sich hier erfüllen. Der Narbige ist aus einem ganz anderen Grund dein Schicksal, als du denkst. Entscheidend jedoch war dein Kommen. Hierher haben dich dein und des Narbigen Schicksal geführt. Nicht wegen deiner Rache half ich dir, sondern damit du dein Schicksal erfüllst. Und jetzt erhebe dich, Jonathan. Deine Kräfte sind nicht erschöpft, geh durch diesen Durchbruch – oder krieche, wenn du nicht anders kannst – und du wirst dein Ziel erreichen.“
      Verwirrt schüttelte Jonathan den Kopf: „Ich war überzeugt, du führst mich zu unserer Rache.“
      „Nein, Jonathan. Du wirst deine Rache bekommen, so oder so. Ändern wird es nichts – für niemanden, Bruder. Doch in gewisser Weise kannst du deiner Rache nicht entrinnen, des Narbigen und dein Schicksal sind aneinander gebunden. Alles geht seinen Weg und in dieser Welt habe ich meine Aufgabe erfüllt.“ Mit einem Gehen, das mehr einem Schweben ähnelte, glitt Miriam nahe an Jonathan heran. „Mich schmerzt der Gedanke, dich zu verlassen, doch wirst du es eines Tages erkennen. Für die Mysterien der Welt gibt es keine Worte.“
      „Versuchs trotzdem, Miriam, bitte.“
      Fast schien ihm, als atmete seine Schwester heftiger, obwohl dies eigentlich nicht möglich war. Kurz schloss sie ihre Augen. Als sie sie wieder aufschlug, glaubte Jonathan in Miriams Blick zu ertrinken und wie aus weiter Ferne drang ihre Stimme in sein Bewusstsein: „Nein, Jonathan, das kann ich nicht. Du musst dich mit deinem Schicksal abfinden und es in die Hand nehmen. Wenn du Antworten brauchst, dann sieh auf dein Leben zurück, darin liegt der Schlüssel. Der Narbige war nie der Sinn unseres Lebens. Eines Tages wirst du sehen, dass mehr als nur eine Macht im Universum wirkt und das eine ist mit dem anderen verwoben.“ Miriams Lachen erklang bevor sie wie aus weiter Ferne fortfuhr: „Du warst meine Bestimmung, Jonathan, und ich habe sie erfüllt. Gedenke meiner und ich werde immer in dir weiter leben. Habe Vertrauen in dich selbst und in dein Schicksal. Lebe wohl, liebster Bruder.“ Ihre Stimme hatte sich zusehends von Jonathan entfernt und plötzlich herrschte absolute Stille um den Jäger.
      „Miriam!“, sein Schrei riss ihn aus dem tranceartigen Zustand und beförderte ihn in die Realität zurück. In eine finstere, kalte Realität, in der seine gebrochenen Rippen und die zahllosen Prellungen hämmerten und wo nicht das Geringste auf seine Schwester hinwies. Nur ihre Worte hallten weiterhin durch sein Bewusstsein und nach kurzen, inneren Ringen, fand sich Jonathan damit ab. Als Nächstes erhob er sich und tastete sich zu dem Torbogen, den er im phosphoreszierenden Schein Miriams gesehen hatte. Trotz ihrer ihm rätselhaften Worte, vertraute er ihr und solange er zumindest zum kriechen imstande war, durfte er nicht stehen bleiben, Miriam zuliebe.
      Schritt für Schritt arbeitete er sich vorwärts. Erst auf schwankenden Füßen, dann auf Händen und Knien, bis er irgendwann selbst dazu zu erschöpft war und bäuchlings weiter kroch. Die Welt schrumpfte in seinen Empfindungen bis sie nur noch aus unebenen, felsigem Untergrund und Dunkelheit zu bestehen schien. Vor allem aus Dunkelheit, sie wurde ihm zur Göttin, sie war Gesetz. Sein eigenes, offenbar sinnloses Dasein schien sich darauf zu beschränken, für alle Zeiten vorwärts zu kriechen. Plötzlich brach beißende Helligkeit in die sanfte, behütende Dunkelheit, vertrieb die Göttin und ein seltsames Wesen erhob sich vor Jonathan. Ein offenbar sehr altes Wesen, auf zwei Beinen stehend. Wie die Risse und

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