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Coogans Fluch (German Edition)

Coogans Fluch (German Edition)

Titel: Coogans Fluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lothar Nietsch
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Spalten des Untergrundes, über den Jonathan schon so lange gekrochen war, durchzogen tiefe Furchen das Gesicht des Wesens. Weißes Haar umrahmte seinen Kopf und fiel über die gebeugten Schultern. Mit einer Hand stützte sich das Wesen auf eine Art Stab und in der anderen hielt es einen Stock, an dessen oberen Ende eine gelblichrote Erscheinung zuckte und flimmerte und die Jonathan schmerzte. Sein eigenes irrsinniges Gelächter hallte in Jonathans Ohren, dann drehte sich die Welt um ihn und er sank zurück ins Reich der Göttin, in gnädige Schwärze.

Kapitel

 
    Die Hunde lauthals anfeuernd, lenkten die Männer ihre Schlitten auf das unheimliche Nebelgebirge zu. Boxner und seine Kameraden tauchten in den wallenden Brodem ein und augenblicklich verschlangen sie die wabernden Luftmassen. In derselben Sekunde schnürten jähe, unheilschwangere Vorahnungen Jims Kehlkopf zu. Übergangslos beförderte ihn sein nächster Schritt von Licht in den Schatten. Dieser eine Schritt in die graue Welt des Nebels erschien Jim so endgültig und bedrückend wie der Tod selbst. Zu Wasser gewordene Luft umschlang ihn. Von unerträglichem Ekel befallen, spürte er den kalten, feuchten Nebel durch die Ritzen und Lücken seiner Kleider fingern, sich um ihn legen und ihn zu ersticken drohen.
      Eine von ihm bisher nie durchlebte Angst bemächtigte sich seiner, eine zum Wahnsinn treibende Angst. Er wollte fort, den Hunden zurufen, kehrt zu machen und nur unter Aufbietung all seiner Willenskraft gelang es ihm, wie er unterschwellig hoffte, sich nichts anmerken zu lassen.
      Hilfe suchend und mit dem Gedanken, etwas Mut aus einem unverzagten Gesicht zu schöpfen, schweiften seine Augen zu den Kameraden. Doch angesichts ihrer Mienen drohte ihn die schiere Verzweiflung zu übermannen. Nichts als seine eigene, nackte Angst blickte ihm aus den zwei Gesichtern entgegen, als wenn er in einen Spiegel schauen würde.
      Jim sah zu ihren Huskys, die offensichtlich ebensolche Todesängste ausstanden wie er selbst und in einem grausigen Kampf den Schlitten tiefer in den Nebel zogen. Doch was hatten sie schon für eine Wahl, mochten sie auch geradewegs ins Verderben rennen, laufen mussten sie. Von Mike und James vorwärts gezerrt und von der Peitsche des Narbigen getrieben, die ihnen erbarmungslos durchs Fell tief ins Fleisch schnitt.
      Er wandte sich zum Narbigen, der die Hunde unerschütterlich vorantrieb, als gäbe es keinen Nebel und auch nicht diesen Wolf. Nichts schien diesen Mann anzufechten, nichts dessen eisiges Gemüt auch nur anzukratzen. Und plötzlich, Jim konnte sich später nicht erklären, was in diesen Momenten eigentlich mit ihm geschah, vielleicht lag es ja an seiner Angst, den Gesichtern Mikes und James, an der Verzweiflung der Hunde oder am Nebel, doch mit einem Mal schien er von der Gewissheit erfüllt, an der Seite dieses entstellten Mannes in den sicheren Tod zu gehen. Jim überflutete die unerschütterliche Einsicht, dass dieser Mann nichts als Tod und Verdammnis für ihn und seine Leute im Gepäck hatte. Jim wähnte sich in diesen kurzen Momenten, die für ihn so zäh wie Ahornsirup verrannen, neben dem leibhaftigen Tod herzustapfen. Ein Blinzeln lang dachte er, dem Wahnsinn zu erliegen, schon nahmen ihn neue, unvorstellbare Eindrücke gefangen. Als wenn er auf die bloß liegende Seele ihres Bosses starrte. Kalt wirkte diese Seele, unsagbar kalt, ohne Liebe, ohne Freude, bar jedweder Emotion, offenbarte sie sich Jim Boxner. Spott und Hohn und eine irgendwie bedrohliche Entschlossenheit sprachen aus ihr, eine todbringende Entschlossenheit, die sich gegen alles richtete, was in ihren Bann geriet.
      Genauso schnell wie sie begonnen hatte, verflüchtigte sich Jims traumartige Wahrnehmung. Er fühlte wieder seine Beine und Füße, wie sie scheinbar ohne sein Zutun ausschritten, spürte seinen Atem, die feuchtkalte Luft, die in seine Lungen strömte, und auch wenn sich sein Verstand zunächst weigerte, so wussten all seine Sinne um die unumstößliche Wahrheit seines Empfindens.
      Und verhielten sich nicht selbst ihre Tiere, seit dem Erscheinen dieses Mannes, deutlich aggressiver untereinander oder verweigerten den Gehorsam? Und hatte sich seitdem nicht auch die kameradschaftliche Gemeinschaft unter den Männern in Windeseile gespalten? Gespalten wie die Fratze ihres neuen Bosses. Abermals suchte er die Gesichter seiner Kameraden und obwohl er nur James Willroth klar zu erkennen vermochte, verriet Mikes gebückte Gestalt,

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