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Cop

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Titel: Cop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Jahn
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Ian und schwingt das Beil.
    Ian steht im Bad und starrt auf sein von Zahnpastaspritzern gesprenkeltes Spiegelbild. Er wirkt müde. Todmüde. Kein Wunder, er bekommt ja kaum noch Luft. Träge dreht er sich um und begutachtet seinen Rücken – auf dem orangefarbenen Stoff des Hemds ist ein roter Fleck aufgetaucht, etwa so groß wie ein Zehncentstück. Dort ist die Kugel ausgetreten. Als er mit dem Beil zugeschlagen hat, muss er sich die Wundnaht aufgerissen haben. Es tut verdammt weh, besonders ohne Schmerzmittel im Blut. Was soll’s. Er kann nur froh sein, dass der Katheter nicht aus der Brust gerutscht ist.
    Er setzt sich auf den Klodeckel, stützt die Ellenbogen auf die Knie und lässt das Gesicht in die Hände sinken.
    Er hat Donald alle Zehen abgeschlagen, und trotzdem hat er nicht geredet. Also sind jetzt die Finger dran. Aber vorher will er sich einen Moment Ruhe gönnen.
    Ian sitzt da und denkt an nichts.
    Über der leeren Wüste pfeift der Wind.
    »Also gut«, sagt er nach ein paar Minuten, steht auf, öffnet den Medizinschrank und durchwühlt die Medikamente. Nachdem er mehrere Schachteln ins Waschbecken gewischt hat, entdeckt er ein orangefarbenes Fläschchen mit 50-Milligramm-Tramadol-Tabletten. »Je nach Bedarf alle vier Stunden eine Tablette einnehmen.« Er drückt die Kappe herunter und schüttet sich drei, vier Pillen in den Mund, dreht den Hahn auf, schaufelt mit der hohlen Hand Wasser hinterher und würgt die Dinger runter. Das Fläschchen steckt er in die Tasche, dann wischt er sich einmal über den Mund und geht wieder raus ins Wohnzimmer, wo Donald, noch immer blutend, auf ihn wartet.
    »Soweit ich weiß, ist er runter nach Florida und will von da mit einem Fischerboot nach Kuba!«
    Dieser Satz kostet Donald den kleinen Finger der rechten Hand. Aus Versehen hackt die Klinge auch ein Stück weit in den Ringfinger. Als Ian das Beil in die Armlehne schlägt, springt zusammen mit dem Finger ein Holzsplitter ab. Der Finger fällt wie ein toter Vogel zu Boden.
    Donald ächzt, beißt die Zähne zusammen und schneidet eine Grimasse. Seine aufgeplatzten, blutigen Lippen verzerren sich, das Ächzen steigert sich zu einem Schluchzen, Tränen fließen über sein Gesicht.
    Währenddessen hebt Ian den Finger auf, wickelt ihn in ein Stück Küchenrolle und legt ihn zu den zehn Zehen. Das Eis schmilzt schon, in der Schüssel schwimmt eine blutige Suppe mit Donald-Einlage. Ian muss an Jahrmarktbesuche in seiner Kindheit denken, ans Apfelschnappen an einem großen Fass. Sein Magen zieht sich zusammen.
    Er dreht sich um. »Nicht schlecht. Hast du den auch im Verhör gebracht?«
    Donald starrt ihn an, schweigend, mit blutunterlaufenen Augen.
    »Wie wär’s? Noch ein Versuch?«
    »Du bist kein Stück besser als er«, keucht Donald hervor, während er nach Atem ringt. Seine Wangen sind nass von Tränen. »Kein Stück besser.«
    »Dann weißt du also, was er ist?«
    »Er ist mein Bruder.«
    »Er ist ein Stück Scheiße.«
    »Und was bist du?«
    »Ein Mann, der seine Tochter zurückhaben will.«
    Donald lacht. Er lacht ihm tatsächlich ins Gesicht. Obwohl er an einen Stuhl gefesselt ist, obwohl er keine Zehen an den Füßen und an der rechten Hand auch keine Finger mehr hat, obwohl er splitterfasernackt im eigenen Blut schwimmt, lacht er ihm ins Gesicht. »Denkst du, Henry hätte nicht auch seine Gründe? Ihr seid genau gleich, du und er.«
    »Und was ist mit dir?«
    »Ich habe überhaupt nichts getan. Ich halte meinem Bruder nur den Rücken frei.«
    »Damit hast du deine Entscheidung getroffen.«
    Ian hackt das Beil in die linke Armlehne. Mittel- und Zeigefinger von Donalds linker Hand fallen auf den Boden, während Donald die Zähne zusammenbeißt. Nur ein paar Tropfen Blut quellen aus den frischen Wunden. Am Anfang war es deutlich mehr, doch jetzt ist das meiste schon im Teppich versickert, und der Rest sträubt sich, seinen Besitzer zu verlassen. Jedes Mal blutet es ein bisschen weniger. Donald wirkt bereits ziemlich blass und schwach, einmal hat er schon vorübergehend das Bewusstsein verloren. Wer weiß, wie lange er noch durchhält.
    Bald wird Ian es wissen.
    Donald erwidert seinen Blick, trotzig wie eh und je.
    »Du hast es in der Hand«, meint Ian. »Wenn du mir sagst, wo er ist, ruf ich dir einen Krankenwagen.«
    »Glaub ja nicht, du könntest deine Schuld auf mich abwälzen.«
    »Wie bitte?«
    »Du Arschloch. Du kaltblütiges, gefühlloses Arschloch. Steh zu dem, was du bist, und versuch es nicht auf mich

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