Cora - MyLady 329 - Barbour, Anne - Die geheimnisvolle Schöne
dass man mir meine augenblickliche Stellung am Magdalene College angeboten hat.«
»Wie ich hörte, verdanken Sie das auch zum großen Teil Ihrer ausgezeichneten Qualifikation.« Gott, dachte Christopher, wenn er oder ich noch öliger werden, dann rutschen wir glatt aus unseren Sesseln. »Ich möchte Ihre Zeit jedoch nicht allzu lange in Anspruch nehmen. Ich weiß, dass Sie sehr beschäftigt sind. Zweifellos fragen Sie sich, warum ich Sie heute Morgen aufgesucht habe. Ehe ich London verließ, um nach Wildehaven zu reisen, habe ich mit Lord Maplethorpe, einem anderen guten Freund, geredet«, fügte er hinzu und bezog sich dabei auf einen weiteren großzügigen Absolventen des Magdalene College.
»Er hat mir von einem Tagebuch erzählt, das im letzten Jahrhundert vom College. erworben wurde.«
Christopher hatte den Eindruck, dass ein misstrauischer Ausdruck in den Augen des Rektors erschien, obwohl er höflich nickte. »Ja, das Pepys-Tagebuch, ein Geschenk des Neffen des Autors, das uns ungefähr im Jahr 1725 gemacht wurde. Ich bin nicht überrascht, dass Lord Maplethorpe über das Tagebuch geredet hat. Es hat neuerdings einiges Interesse geweckt, das zum Teil auf die kürzlich erfolgte Veröffentlichung des Evelyn-Tagebuchs zurückzuführen ist.«
»Genau! Soweit ich weiß, ist das Tagebuch in einer Art Kode verfasse.«
»Hm, ja«, setzte Mr. Neville etwas hastig hinzu. »Wir sind jedoch der Meinung, dass wir uns jetzt der Entschlüsselung der Geheimschrift auf methodische Weise nähern. Wir haben einen äußerst geeigneten jungen Mann mit dieser Aufgabe betraut, und zwar Mr. John Smith vom St. John’s College. Wir sind überzeugt, dass er die Geheimschrift bald entschlüsselt haben wird.«
»Wunderbar!« rief Christopher aus. »Ich freue mich darauf, das Tagebuch lesen zu können. In der Zwischenzeit…« Er hielt inne und trank einen Schluck Wein.
»Nun, die Sache ist, dass ich mich immer für Kodes interessiert habe. Ich habe während des Krieges dem Außenministerium den ein oder anderen guten Dienst erwiesen. Jedenfalls hat man mir das gesagt.«
»Tatsächlich?« fragte Mr. Neville bewundernd, doch seine Miene wurde noch misstrauischer.
»Ja. Aus diesem Grund würde ich gern einen Blick auf das geheimnisvolle Tagebuch werfen, es für einen oder zwei Tage mit nach Haus nehmen. Womöglich versage ich vollständig bei meinem Versuch der Entschlüsselung, aber andererseits könnte ich vielleicht auch Ihnen einen guten Dienst erweisen.«
»Hm, ja.« Sichtlich aufgeregt klopfte Mr. Neville auf die Armlehne. »Ich bin nicht sicher, ob das Tagebuch im Moment zur Einsichtnahme zur Verfügung steht. Selbst Mr. Smith nimmt es nicht aus der Bibliothek mit. Er arbeitet hart, und…«
»Wie enttäuschend!« sagte Christopher mit unüberhörbarer Schärfe. »Ich werde nicht lange in Wildehaven bleiben und hatte gehofft, noch vor meiner Rückkehr nach London zumindest einen Teil des Tagebuchs durchblättern zu können.«
»Ja, natürlich.« Inzwischen schwitzte Mr. Neville ziemlich stark.
»Ich habe gehört, das Tagebuch bestehe aus mehreren Bänden. Natürlich würde ich nur eins oder zwei der Bücher gleichzeitig mitnehmen und sie nicht lange behalten. Ich finde…« Christopher hüstelte diskret. »…
dass meine Bitte nicht unberechtigt ist, vor allem im Hinblick darauf, dass ich dem College jahrelang freundschaftlich verbunden war.«
Die Worte »und ihm großzügige Schenkungen mache«
wurden nicht ausgesprochen, hingen jedoch wie ein Damoklesschwert in der Luft. Abrupt kapitulierte Mr.
Neville mitsamt seiner Kavallerie, Infanterie und Artillerie.
»Ich bin sicher, es lässt sich arrangieren, Mylord.« Er stand auf. »Gestatten Sie mir, Sie zum Neuen Gebäude zu begleiten. Dort können wir uns dann die ganz schön alten Bände anschauen, ja?«
Eine Stunde später verließ Christopher das College mit zwei Bänden von Mr. Pepys’ Tagebuch unter dem Arm.
Auf dem Heimweg hielt er vor Rose Cottage an. Gillian kam herausgerannt und begrüßte ihn.
»Christopher!« äußerte sie atemlos, sobald er abgesessen war. »Mein Onkel ist ganz aus dem Häuschen. Er hat den ganzen Tag mit Tante Louisa und mir gezankt. Sie und ich hatten die größten Schwierigkeiten, ihn davon abzuhalten, nach Cambridge zu reisen, um ,das Material zurückzuholen, das zu studieren er das Recht hat’. Ich habe ihm nichts von Ihrem Versprechen erzählt, uns zu helfen. Das heißt, ich war nicht sicher…« Zweifelnd und zugleich
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