Corbins 02 - Wer ein Laecheln des Gluecks einfaengt...
Fancy fort.
Miriam bestätigte es nicht,
jedenfalls nicht direkt, und Fancy ahnte, daß die Haushälterin ihre Kompetenzen
nicht überschreiten wollte. »Es war jedenfalls nichts Ernstes,
Längerdauerndes«, antwortete sie, während sie den Blick abgewandt hielt.
Fancy trocknete seufzend ihre
Tränen. Wenn sie jedesmal zu weinen begann, sobald sie einer ehemaligen
Geliebten ihres Mannes begegnete, würde sie keine Zeit mehr für etwas anderes
haben. »Es macht mir nichts aus«, log sie tapfer.
Miriams besorgte Miene verriet, daß
sie Fancys Lüge durchschaute, aber sie war diskret genug, es nicht auszusprechen.
»Meine Schwester näht, Missis Corbin«, bemerkte sie nur. »Und da Sie wirklich
neue Kleider brauchen, dachte ich ...«
Fancy lächelte. »Warum lassen Sie
sie nicht holen? Ich möchte in diesem Kleid nicht in der Öffentlichkeit
erscheinen.«
»Sie wären überrascht, wie hübsch
Sie aussehen«, entgegnete Miriam rasch, »aber ich verstehe Sie natürlich. Ich
schicke Walter sofort zu Evelyn.«
Zwanzig Minuten später erschien
Evelyn, die Miriam so ähnlich sah, daß sie Zwillingsschwestern hätten sein
können. Sie hatte einen Stapel Modezeitschriften dabei und Dutzende von
Stoffmustern.
Fancy stand am Eßzimmertisch und
begutachtete Muster und Modelle, als Jeff zurückkam, in einem eleganten Anzug
mit Hut und einem halben Dutzend Päckchen unter dem Arm. Sein Anblick
versetzte Fancy einen Stich; er war zwar nicht immer ein Gentleman, aber er sah
wie einer aus. Aber war sie Lady genug, um ihn zu halten?
Ohne Evelyn und Miriam zu beachten,
küßte er Fancy zärtlich. »Bestell dir von allem etwas«, sagte er.
Fancy erschauerte, denn die körperliche
Nähe dieses Mannes hatte einen verwirrenden Effekt auf ihre Sinne. Und da sie
immer ein sehr zurückhaltender Mensch gewesen war, begriff sie nicht, wie es
Jeff gelingen konnte, sie mit einem einzigen Blick oder einer Berührung ihrer
ganzen Würde zu berauben.
»Ich glaube, Missis Corbin ist ein
bißchen ratlos«, bemerkte Miriam respektvoll.
»Ich weiß nicht, was ich kaufen
soll, oder wieviel ich von allem brauche ...«
»Sorgen Sie dafür, daß es meiner
Frau an nichts fehlt«, sagte Jeff zu den beiden älteren Frauen. Dann küßte er
Fancy noch einmal und ging. Die Päckchen nahm er mit.
Fancy verbrachte einen aufregenden,
aber auch sehr anstrengenden Nachmittag, in dessen Verlauf ihre Maße genommen
wurden und sie alle möglichen Modelle und Stoffe aussuchte — Seide, Spitze,
Satin, Samt, Baumwolle und Leinen.
Als Evelyn endlich mit ihren
Notizen, Mustern und Zeitschriften das Haus verließ, war Fancy so müde, daß sie
nach oben ging, um sich etwas auszuruhen. Vielleicht konnte sie jetzt den
nachts versäumten Schlaf nachholen ...
Doch das erste, was sie beim
Betreten des Schlafzimmers sah, war der Anlaß ihrer schlaflosen Nacht. Jeff saß
mit dem Rücken zur Tür in einem der beiden Rattansessel und schaute aus dem
Fenster. Seinen Rock hatte er ausgezogen, und ein Bein lag auf der Fensterbank.
Fancy fragte sich, was er draußen sehen mochte und verspürte einen Stich von
Eifersucht im Herzen. Vielleicht sehnte er sich nach Banner — oder nach dem
Meer. Es wäre nicht ungewöhnlich für einen Schiffskapitän, von Seereisen zu
träumen …
Sie wollte schon den Raum verlassen,
als Jeffs leise Stimme sie zurückhielt. »Bleib«, sagte er sanft. »Bitte.«
Fancy holte tief Luft und setzte ein
erzwungenes Lächeln auf. Sie hockte sich auf die Bettkante und begann
umständlich ihre Schnürstiefel zu öffnen, während sie unablässig über all die
schönen Dinge sprach, die sie in den Modezeitschriften entdeckt hatte.
Jeff beobachtete sie schweigend und
hörte eine Weile zu. Dann streckte er die Hand aus und sagte ruhig: »Komm her,
Fancy.«
»Nein, ich bin zu müde!«
protestierte sie, im Bewußtsein der Gefahren, die damit verbunden waren.
Jeff lachte. »Ich auch. Ich möchte
dich nur in den Armen halten.«
Sie ging zu ihm. Er zog sie auf
seinen Schoß, und sie legte den Kopf an seine breite Schulter. Seine Weste und
sein weißes Hemd rochen angenehm nach klarer, frischer Luft und Sonnenschein,
und plötzlich wurden Fancys Augen feucht.
Erstaunlicherweise wollte Jeff nicht
wissen, warum sie weinte. Er hielt sie nur umfangen und trocknete zärtlich ihre
Tränen. Fancy fragte sich, wie sie es ertragen sollte, ihn so zu lieben, und
wußte mit quälender Endgültigkeit, daß es immer so sein würde, ihr ganzes Leben
lang.
Jeff zog sie noch
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