Crashkurs
überfordert, kann keine Sozialleistungen mehr bereitstellen.
So kommen mehr und mehr Kreditverträge in Schieflage und müssen abgeschrieben werden. Das betrifft längst nicht mehr nur Immobilienkredite, sondern auch Konsumentenkredite für den Flachbildfernseher oder die Urlaubsreise von vor vier Jahren. Ebenso können Leasingverträge für das Auto nicht mehr bezahlt werden, und die Kreditkarte ist ohnehin bereits gesperrt. Die Bank hat längst keine Hoffnung mehr, das Geld je wiederzusehen. Nicht nur, dass die Banken in dieser Phase nur sehr ungern neue Kredite vergeben, sie sind dazu gar nicht in der Lage, da sie aufgrund der vielen Ausfälle und Abschreibungen nicht mehr über die nötigen Sicherheiten verfügen, um Kredite vergeben zu können. Im Gegenteil: Es wird eine Hatz nach flüssigen Mitteln beginnen. Jedermann und jede Bank wird verzweifelt versuchen, irgendwie zu Geld zu kommen, um nicht Konkurs anmelden zu müssen. Das Wort »Liquiditätsklemme« bekommt eine ganz neue Dimension.
Folglich wird alles versilbert, was sich versilbern lässt. Zuallererst werden die Dinge zu Geld gemacht, die ein besonders großes Risiko tragen. So sind beispielsweise die Aktienmärkte der sogenannten Schwellenländer wie China, Osteuropa oder auch Südamerika zwar hochinteressant, solange die Wirtschaft boomt, aber wehe, wenn die Angst in den Markt kommt! Wenn in großem Stil Kapital aus diesen Märkten abgezogen wird, kommt es schnell zu erdrutschartigen Verlusten. Die ersten großen Investoren verkaufen ihre Aktien, weil sie Liquidität brauchen, und die Kurse fallen. Weitere professionelle Anleger erkennen dies und ziehen sich ebenfalls rasch aus dem Markt zurück, denn keiner will der Letzte sein, wenn die Käufer ausbleiben. In dieser Marktphase werden häufig die privaten Anleger noch mal richtig in solche Märkte »reingejagt«, denn man braucht ja dringend Käufer für die eigenen Bestände. Das klingt dann so: »In den letzten Wochen kam es zu deutlichen Gewinnmitnahmen an den Börsen in Asien. Experten sehen aber das Ende des Superbooms in China noch lange nicht gekommen und raten dazu, diese günstigen Kurse für Zukäufe zu nutzen.«
Natürlich hält das den Kursverfall bestenfalls kurz auf. Je tiefer die Kurse fallen, desto lauter werden die Rufe: »Rette sich, wer kann!« Die Letzten, die am Ende noch immer wertlose Depotleichen mit sich herumschleppen, für die sie einst ihre Altersvorsorge investiert haben, sind zumeist die Kleinanleger, die bis zuletzt auf die Experten gehört haben: »Bloß keine Panikverkäufe. Jetzt braucht man auch nicht mehr verkaufen! Die steigen auch wieder!« Fragen Sie ruhig mal im Bekanntenkreis, wer noch Internetaktien aus der Zeit um 2000 im Depot hat. Sie werden überrascht sein, wie viele noch Aktienpakete besitzen, die einmal viele tausend Euro gekostet haben und heute nicht einmal mehr für ein warmes Abendessen reichen würden.
In wirtschaftlich sicheren Zeiten geht es den Investoren um möglichst hohe Rendite. Da ist kaum ein Risiko zu groß, und so engagiert man sich in allen möglichen abenteuerlichen Märkten und Chancen. Das reicht vom dreimal umverpackten Immobilienkredit bis zur erfolgversprechenden Kokosmilchkonservendosenabfüllanlage in Papua-Neuguinea. Aber wenn die Zeiten unsicher werden und die eigenen Aktienmärkte in Europa oder Nordamerika um bis zu 5 Prozent am Tag schwanken, gibt es keinen Grund, in noch riskantere Märkte zu investieren. Hinzu kommt, dass die Banken und Investoren ihr Geld dringend zu Hause brauchen, um die dort entstehenden Löcher zu stopfen. Man nennt das dann »Repatriierung« und holt sein Geld aus der weiten Welt zurück nach Hause – mit katastrophalen Folgen für die Länder, aus denen das Geld abgezogen wird. Da dort häufig Auslandsinvestitionen die Hauptträger der Wirtschaft sind, kommt es in diesen Ländern zu einem plötzlichen und heftigen Zusammenbruch der Börsen. Die jeweilige Landeswährung kommt unter Druck. Wer beispielsweise Aktien an der Börse in Jakarta verkauft, erhält dafür indonesische Rupiah. Damit kann er allerdings zu Hause in Kansas City herzlich wenig anfangen. Also muss er diese Rupiah verkaufen und US-Dollar dafür eintauschen. Wenn das in großem Stil geschieht, bricht die Landeswährung – in unserem Fall die indonesische Rupiah – ein, und der Kurs des Dollars steigt. Das war der Grund für den starken Dollaranstieg im Herbst 2008. Das Vertrauen in die fremde Währung geht verloren. Immer
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