CREEKERS - Thriller (German Edition)
und wann immer er sie ansah oder auch nur an sie dachte, erschien sie ihm schöner als zuvor.
Mein Gott, dämmerte es ihm in aller Deutlichkeit. Ich bin wirklich verliebt …
»Halt die Augen offen«, wies Eagle ihn an. Er war gerade erst in einen der holprigen Feldwege eingebogen, die sich durch den Wald schlängelten. Die Scheinwerfer holperten über unzählige tiefe Rillen, hoch und runter. »Wir sind hier auf Hinterwäldlergebiet. Sie mögen’s nich’ besonders, wenn Fremde auf ihr Land fahren.«
»Blackjack ist einer vom Hügelvolk?«, fragte Phil.
»Irgendwie schon. Und er is’ groß und böse, also komm ihm nich’ dumm, wenn er da is’.«
»Geht klar.«
Phil wusste nichts über diesen Blackjack. Doch egal, ob er jetzt wirklich zu Hause war; zu wissen, wo er wohnte, lieferte ihm gute Ansatzpunkte für später. Und falls Natter ihn tatsächlich abserviert hatte … umso besser. Dann konnte Phil seine Bude in Ruhe durchsuchen. Vielleicht fand er irgendwo ein Adressbuch oder etwas Ähnliches, das ihm Informationen und weitere Namen lieferte. Das Beste von allem war, dass die Ungewissheit über Sullivans Verbleib Eagle auf glühenden Kohlen sitzen ließ – er wirkte völlig paranoid, als er so hinter dem Steuer seines Pick-up saß – und je mehr sanften Druck er auf Eagle ausüben konnte, desto besser.
Früher oder später bekomme ich, was ich will , war sich Phil sicher.
Die Wege verengten sich immer mehr, der Wald wurde dichter und dunkler. Sie passierten ein paar alte Schuppen, baufällige Hütten und eine Handvoll abgewrackte, aufgebockte Wohnwagen. Glänzende Spinnweben schimmerten feucht wie Rotzfahnen in den Bäumen. Immer wieder blitzte das orangefarbene Leuchten von Opossumaugen im Licht der Scheinwerfer auf. Noch unheimlicher war der Nebel. Früher am Tag war Regen gefallen, doch es war nur ein kurzer Schauer gewesen. Nun zog die Hitze der Nacht Nebelranken aus dem Holz der Bäume, die wie Rauch emporstiegen.
Alles sah mit einem Mal weit weg aus, unirdisch …
Phil begann, sich komisch zu fühlen.
Er wusste, woran es lag. Die finstere Szenerie weckte Erinnerungen in ihm. An damals …
An diesen einen Tag. Und …
Das Haus.
»Hey, Eagle!«, fragte er und wischte sich den plötzlichen Schweiß von der Stirn, »Wie geht’s eigentlich deinem Onkel Frank?«
»Ganz gut. Ist jetzt in Rente und nach Florida gezogen.« Eagle warf ihm einen schrägen Blick zu. »Bin überrascht, dass du dich überhaupt an ihn erinnerst.«
»Oh, ich erinnere mich sogar noch ziemlich gut. All diese Gespenstergeschichten, die er uns immer erzählt hat. Weißt noch? Er hat uns immer davor gewarnt, in den Wald zu gehen, weil da ›Dinge‹ existierten, die ein Kind nicht sehen sollte. Erinnerst du dich, was wir den einen Abend aufgeschnappt haben? Erinnerst du dich an die Geschichte?«
»Welche? Frank hat genügend Scheiße erzählt, um ein 200-Liter-Fass damit zu füllen.«
Phil rieb sich über das Gesicht. »Du weißt schon. Die Geschichte über dieses große, alte Spukhaus tief in den Wäldern …«
»Ah«, dämmerte es Eagle. »Das Hurenhaus der Creeker.«
»Genau das. Glaubst du daran?«
»Du verscheißerst mich, oder? Das is’ nur ’n altes Ammenmärchen. Frank hat’s nur gerne immer wieder erzählt, weil er so viel Spaß dran hatte, uns ’ne Scheißangst einzujagen.«
Das war Onkel Frank gelungen.
»Also hast du nie geglaubt, dass da was dran sein könnte?«, hakte Phil nach.
»Vielleicht als ich noch ’ne zehnjährige Rotznase war, aber jetzt nich’ mehr.«
»Aber es könnte doch stimmen, oder nicht? Ich meine, was wäre daran so unwahrscheinlich? Himmel, Natter lässt Creekermädchen im Sallee’s strippen. Und das sind auch alles Nutten. Würd’s da nicht Sinn machen, wenn die irgendwo ein Haus hätten, in dem sie arbeiten?«
»Du rauchst wohl Dust«, lachte Eagle. »Diese Mädels sind Nutten vom Straßenstrich, Phil. Die erledigen ihre Geschäfte auf dem Parkplatz. Das Hurenhaus der Creeker is’ nur ’ne Spukgeschichte, das is’ alles.«
»Ich weiß nicht.« Phil schwitzte inzwischen in Strömen. Er war zappelig. Seine Stimme senkte sich zu einem leisen Flüstern. »Ich glaube, ich hab es mal gesehen.«
Eagle starrte ihn an. »Jetzt weiß ich, dass du drauf bist. Willst du mir echt erzählen, du hättest dieses Creekerhaus gesehen?«
»Ja. Zumindest glaube ich das. Es war damals, als wir beide noch Kinder waren. Weißt du noch, wie wir jeden Tag nach der Schule durch den Wald
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