CREEKERS - Thriller (German Edition)
gezogen sind?«
»Klar«, sagte Eagle. »Scheiße, wir haben allen möglichen Kram da gefunden. Alte Schrotpatronen, Bier, Pornohefte.«
»Genau. Und einmal, da hattest du Hausarrest, weil du deine Brüder verdroschen hast, also bin ich alleine los. Und hab mich verlaufen …«
ZWEIUNDZWANZIG
GANZ GENAU, der zehnjährige Phil Straker hatte sich verlaufen …
Der Wald glich einem verschlungenen Irrgarten, ebenso erschreckend wie geheimnisvoll, überall verrottende Laubhaufen, skelettartige Zweige und dicht hängende Schlingpflanzen. Dann war er auf das kleine Creekermädchen gestoßen, dessen rote Augen ihn durch die Strähnen ihres schwarzen Haars hindurch angestarrt hatten. Zuerst hatte er Angst gehabt – er konnte ihre Entstellungen sehen, den missgestalteten Kopf, die schiefen Gelenke, die falsche Anzahl von Fingern und Zehen. Außerdem konnte er nicht vergessen, was Eagle ihm erzählt hatte; dass die Creeker Zähne wie Kevin Furmans Bulldogge besaßen und einen bissen, wenn man ihnen zu nahe kam …
Doch das war dumm. Phil erkannte sofort, dass dieses Mädchen ihn nicht beißen würde, auch wenn er ihre Zähne nicht sehen konnte. Seine Angst verschwand binnen weniger Sekunden. Ihr schien es genauso wie ihm zu gehen. Sie wirkte fasziniert. In abgehackten Sätzen – ihr Haar tanzte bei jedem Satz über ihrem Mund – verriet sie ihm, ihr Name sei Dawnie.
Dann gellte die Stimme durch den Wald, rief sie nach Hause und sie war davongerannt.
Doch Phil wollte nicht, dass sie ging. Also …
Folgte er ihr.
Und verlief sich innerhalb von Minuten erneut. Der feuchte Wald schien ihn diesmal vollends zu verschlingen. Das brennende Licht der Sonne traf ihn durch die Bäume wie ein glühender Hammer. Schweiß durchtränkte sein Green-Hornet-Shirt, bis es an ihm klebte. Insekten umschwirrten seinen Kopf und seine Schultern, stachen ihn, während seine Turnschuhe durch das Unterholz brachen. Vergeblich schlug er mit hektischen Händen nach ihnen.
Als er sich bereits mit dem Gedanken anfreundete, nie wieder herauszufinden, öffnete sich der Wald zu einer Lichtung. Hohes, sonnenverbranntes, braunes Gras raschelte im toten, heißen Wind.
Dann sah er das Haus.
Heilige Kacke!
Das große und baufällige Bauernhaus thronte mit zwei Geschossen auf dem Hügel. Der aufgeplatzte weiße Anstrich offenbarte Adern aus grauem Holz. Die abgefallenen Schindeln auf dem Dach erinnerten ihn an Mrs. Nixermans fehlende Zähne. Die hohen, schwarzen Fenster erwiderten seinen Blick …
Es spukt darin . Da war er sich absolut sicher. Das ist ein Spukhaus.
Es konnte nicht anders sein. Es war das unheimlichste Haus, das er je gesehen hatte, und wenn es je in einem Haus gespukt hatte, dann in diesem.
Das hier musste Onkel Frank gemeint haben. Dieses Haus war eines der ›Dinge‹, die zehnjährige Jungs besser nicht sehen sollten.
Also tat Phil, was jeder Zehnjährige getan hätte.
Er ging näher heran.
Die Stufen knarrten unter seinen Schuhen, als er auf die Veranda stieg. Er konnte kaum etwas durch die Fliegentür erkennen, nur klumpige Umrisse und trübe Finsternis.
Er schlich auf Zehenspitzen zum nächsten Fenster und spähte hinein …
Die Sonne brannte ihm auf den Rücken, als er sich weiter vorbeugte, um besser sehen zu können. Zuerst konnte er nichts erkennen, nur weitere unscharfe Schemen. Dann schälten sich nach und nach Einzelheiten heraus: ein großes, altes Sofa, ein Ohrensessel, getäfelte Wände und alte Gemälde.
Aber …
Keine Gespenster.
Ach, Kacke , dachte Phil in absoluter kindlicher Enttäuschung. Da sind keine Gespenster drin. Es ist nur ein altes Haus. Nichts, wovor man sich fürchten –
Phil stieß einen schrillen, lauten Schrei aus, als ihm sieben kleine Finger auf die Schulter tippten. Er sprang sicher einen halben Meter in die Höhe, wirbelte herum und landete mit aufgerissenen Augen auf seinen Füßen.
Dawnie kicherte. Phil kam sich wie ein Weichei vor.
»D-Du wohnst hier?«
»Ja-a-ha«, sagte sie.
Als sie lachte, bemerkte Phil zu seiner weiteren Enttäuschung, dass ihre Zähne nichts mit denen von Kevin Furmans Bulldogge gemein hatten. Sie besaß völlig normale, gleichmäßige Zähne wie jeder andere auch. Eagle erzählte nur Kacke.
»Sie-äh weeg jetz«, sagte sie.
»Häh?«
»Weeg.«
Weeg , dachte Phil. Weg. Sie meinte wohl, dass ihre Eltern wieder weg waren.
»Komme-mit-rein«, sagte sie.
»Häh?«
Sie lockte ihn mit einer Fingerbewegung vom Fenster weg. »Komm mit. Nache-drin. Wild,
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