Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cromwell, Bernard

Cromwell, Bernard

Titel: Cromwell, Bernard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stonehenge
Vom Netzwerk:
jenseitigen
Horizont starrten. »Slaol!«, schrien sie. »Slaol!«
    »Slaol!«, rief auch Gilan der untergehenden Sonne zu,
während er die Arme zum Himmel hob, und Hengall nahm das taube Kind an der Hand
und führte es zum Mittelpunkt des Tempels, wo Galeth ein Loch gegraben hatte.
Es war weder tief noch lang, aber es genügte; das kleine Mädchen mit den Blumen
im Haar wurde zum Rand des Loches geführt, und dort wurde der Kleinen die
Tunika über den Kopf gezogen, sodass sie nackt war. Gilan kniete vor ihr nieder
und reichte ihr ein Gefäß. »Trink«, sagte er sanft, und weil sie taub war,
bedeutete er ihr mit einer Handbewegung, was sie tun sollte. Das Mädchen nahm
das Gefäß in beide Hände und lachte über das freundliche Gesicht des
Hohepriesters.
    Das Gefäß enthielt einen Trank, der Träume hervorrief —
ein Trank aus Pilzen und Kräutern, ein Zaubertrank, um das taube Kind zu den
Göttern zu befördern; und alle Stammesmitglieder schauten in angespanntem
Schweigen zu, als die Kleine schluckte. Sie schnitt eine Grimasse, als ob die
Flüssigkeit bitter wäre, doch dann lachte sie wieder und ließ das Gefäß fallen.
Gilan erhob sich und wich einen Schritt vor ihr zurück, während er sie
aufmerksam beobachtete, um zu sehen, welche Omen der Trank brachte.
    Das kleine Mädchen begann zu keuchen und nach Luft zu
schnappen, als ob ihr der Atem geraubt würde, dann schrie sie mit ihrer
unartikulierten Stimme nach ihrer Mutter und versuchte zu der Menschenmenge zurückzulaufen
— aber Neel fing sie ein und zwang sie, zu dem Loch zurückzukehren, wo sie
erneut aufschrie. Die zuschauende Mutter der Kleinen rief klagend nach ihrem
Kind. Die Omen standen schlecht. Die Kleine hätte lachen und tanzen sollen,
aber sie schrie, zappelte und sträubte sich verzweifelt, und ihre schrillen
Schreie nagten an den Gemütern des Stammes. Gilan schüttelte sie heftig, um
das Geschrei zu unterbinden, schüttelte sie so heftig, dass sie vor Angst
verstummte, und in diesem Moment stieß Gilan sie auf Armeslänge von sich, nahm
die Grünsteinaxt von Neel.
    Gilan hob die Klinge zu der untergehenden Sonne empor,
hielt einen kurzen Moment inne, und ließ die Axtklinge dann so hart
niedersausen, dass blutbesudelte Blumen in das Gras fielen, als das kleine
Mädchen, sein Schädel in zwei Hälften gespalten, lautlos starb.
    Sie war in den Himmel gegangen — zu Slaol. Es würde kein
geschmücktes Grab für die Kleine geben und auch keine Geschenke in ihrem Namen,
denn sie selbst war ein Geschenk. Das war der Grund, warum man sie nicht mit
dem Kindstöter erschlagen hatte, denn sie war nicht wirklich tot; stattdessen
stieg ihre Seele, noch während ihr Stamm in ehrfürchtigem Schweigen verharrte,
zum Himmel empor, um Slaol von diesem Ort zu erzählen, der für ihn erbaut
worden war. Das flachshaarige kleine Mädchen war Ratharryns Bote, und sie würde
über den Himmelstempel wachen, bis die Zeit selbst endete.
    Gilan legte den kleinen Leichnam in das Grab. Er zerbrach
das Gefäß, das den Trank enthalten hatte, ließ die Scherben neben das tote Kind
fallen, legte ihm den Kreideball seines Lebens auf die blutige Brust, und dann
häuften die Priester Erde auf den reglosen Körper, traten sie fest. Die Mutter
des Kindes schrie weiter vor Schmerz und Trauer, und die anderen Frauen
umringten sie, um sie zu trösten — sagten ihr, dass ihre Tochter überhaupt
nicht tot sei, sondern glücklich in der Himmelswelt, wo sie als Spielgefährtin
der Götter weile.
    Die Sonne versank hinter dem Horizont, während Lahanna,
riesig und bleich, über den Bäumen im Westen aufstieg. Die Feuer loderten jetzt
hoch in den Himmel, und die dicken Holzbalken in ihrer Mitte brannten so hell,
dass der Rauch eine rötlich gefärbte Glocke über dem Tempel bildete. In wenigen
Augenblicken würde die erste Zeremonie in dem Neuen Tempel beginnen, wenn
Derrewyn und Saban ihre Hochzeitsschritte in der Mitte des Heiligtums tanzten;
aber zuerst trat Hengall neben das Grab des Sonnenkindes und hob die Hand, um
die Menge zum Schweigen zu bringen.
    Es war Hengalls Aufgabe, den Stammesmitgliedern zu
berichten, was sie vollbracht hatten. Ihnen die Geschichte des Himmelstempels
zu erzählen, sodass sein Volk sie in Erinnerung behalten und an seine Kinder
und Kindeskinder weitergeben würde; nun stand er mit erhobenem Arm da,
während er die Worte sammelte, und die murmelnde Menschenmenge verstummte. Die
Dämmerung senkte sich herab, und der blendende Schein der Sonne war

Weitere Kostenlose Bücher