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Crossfire 1: Kontakt

Crossfire 1: Kontakt

Titel: Crossfire 1: Kontakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Linie als Versammlungsort. Die meisten Mahlzeiten wurden
bisher noch gemeinschaftlich in der Stadt eingenommen und stammten
zum größten Teil aus den Laderäumen des Schiffes.
Bisher war noch keine private Kücheneinrichtung eingebaut
worden, außer in der Medina. Das störte niemanden. Die
meisten Siedler waren immer noch davon begeistert, überhaupt
private Räumlichkeiten zu haben, in denen sie schlafen, sich
entspannen oder die wenigen kostbaren Besitztümer hinstellen
konnten, die sie von der Erde mitgebracht hatten.
    Die provisorischen Zelte wurden nach und nach durch dauerhafte
Gebäude aus Formschaum ersetzt. Shipleys Haus war eines der
ersten gewesen, weil es sich an das »Krankenhaus«
anschloss, einen sehr viel größeren Bau, der das Wohnhaus
überragte und es teilweise verschlang wie ein Hügel einen
Felsbrocken zu seinen Füßen.
    Die Formschaummöbel waren schlicht, robust und spartanisch,
die kreisrunden Wände schmucklos. Neue Quäker entschieden
selbst, wie viel Farbe und Verschönerungen sie in ihren
Häusern brauchten. Das Grundprinzip der Schlichtheit, der
fehlenden Ablenkung von der geistigen Welt, blieb allerdings
bestehen. Zwei Schlafzimmer und ein Badezimmer, die sämtlich von
der Haupthalle abgingen, vervollständigten Dr. Shipleys
Heim.
    Durch eine der geschlossenen Türen hörte er undeutlich
Lucy Laskys Stimme. Die Paläontologin besuchte gerade Naomi, die
immer noch das Bett hüten musste. Als Naomi endlich zugelassen
hatte, dass ihr Vater sie untersuchte, hatte dieser zahlreiche
Prellungen und Schnittwunden an ihrem Oberkörpers
festgestellt.
    Wie hätte Shipley dem Rat auch die volle Wahrheit sagen
können? »Meine Tochter hat ein menschliches Leben genommen.
Ich bin darüber erschüttert. Ich trage die persönliche
Verantwortung. Es darf keine weitere Gewalt zwischen Menschen und
Fremdwesen geben, und ich muss dafür sorgen, dass so etwas nicht
mehr geschieht.«
    Gail und Jake hätten ihn nicht verstanden. In ihrer Welt
lagen die Taten erwachsener Kinder nicht mehr in der Verantwortung
der Eltern. Sie trennten die Erziehung eines Kindes von dessen
späterem Verhalten – als ob man einen Zweig jahrelang nach
Westen beugen könnte, um sich dann zu beschweren, dass er nicht
nach Osten zeigte!
    Aber sein Gefühl der Verantwortung für Naomis Taten
wäre für Jake und Gail immer noch leichter zu akzeptieren
gewesen als Shipleys anderer Grund, aus dem er zum Funkfeuer musste
und die Außerirdischen begrüßen wollte. Das Licht
der Wahrheit leitete ihn und wies ihn an, ein Zeichen des Friedens zu
setzen.
    Sie hätten ihn für verrückt erklärt.
    Ihre Meinung über ihn war nicht entscheidend, wohl aber, dass
sie ihn nicht hätten gehen lassen. Und er musste gehen. Er
musste tun, was er konnte, um weitere Gewalt zu verhindern. Eine
Botschaft des Lichts hatte nicht nur etwas mit persönlichem
Glaube zu tun – es war ein Befehl zum Handeln.
    Gail trat ein, ohne anzuklopfen. Das zeugte davon, wie aufgeregt
sie war. Mit ihr wehte eine Brise lauer Abendluft herein.
    Shipley hörte von der Medina her den Imam, der die
Gläubigen zum Gebet rief. Der Ruf wehte leise herein, lang
gezogen und irgendwie klagend, bis Gail die Tür hinter sich
zuzog. »Doktor, haben Sie Nan von dem Signalfeuer und dem Schiff
erzählt?«
    »Nein«, antwortete Shipley. »Und ich habe auch Lucy
gebeten, ihr nichts davon zu sagen. Lucy ist bei ihr.« Ein
weiteres Gewissensproblem. Es war falsch, einem Erwachsenen die
Wahrheit zu verschweigen. Aber hätte Naomi gewusst, dass weitere
Außerirdische auf dem Weg nach Greentrees waren, hätte sie
darauf bestanden, bei ihrem Eintreffen anwesend zu sein. Trotz ihrer
Verletzungen oder Jakes Befehlen. Shipley hatte seine Tochter gerade
erst zurückerhalten. Er wollte sie nicht schon wieder an eine
andere Gruppe seltsamer Geschöpfe verlieren. Oder, präzise
ausgedrückt, an ihren eigenen seltsamen Drang, sich diesen
anzuschließen.
    »Gut«, sagte Gail und nickte. »Ich glaube, es ist
besser, wenn sie es noch nicht erfährt. Kann ich… kann ich
zu ihr?«
    Gails Auftreten wirkte merkwürdig schüchtern. Warum?
Shipley war zu abgelenkt, um länger darüber nachzudenken.
»Ja, gehen Sie ruhig rein.«
    »Hallo, Gail«, begrüßte Lucy sie. Naomi sagte
kein Wort zu ihr, sondern sprach weiter mit Lucy. Gail ließ die
Tür offen stehen, und Shipley hörte die Stimme seiner
Tochter. Sie klang viel zu schrill und schnell bei den
Schmerzmitteln, die er ihr verabreicht hatte. Naomi wurde

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