Crossfire 2: Feuerprobe
Besiedlung finanziert, und
ihnen gehörte der größte Anteil an den Gütern
der Kolonie. Jake war alt, die Quäker mischten sich nicht in die
Politik ein, und die Cutler-Familie bildete zwar das
wissenschaftliche Rückgrat von Greentrees, war aber den Arabern
zahlenmäßig unterlegen. Ashraf Shanti war eine
Galionsfigur, deren persönliche Integrität nie auf die
Probe gestellt worden war, weil es zwischen seinen eigenen
Überzeugungen und der Medina nie einen Zwiespalt gegeben
hatte.
Alex war vielschichtiger.
Sie war fähig, mitfühlend, großzügig,
intelligent, aber nicht durchtrieben. Eine Idealistin, die auf dem
Nährboden des so lange friedlichen Mira herangewachsen war. Und
obwohl es als MateR ihre Aufgabe war, Ressourcen zu verteilen –
eine Aufgabe, die sie auch sehr gut bewältigte –, war sie
bereit, schlichtweg alles für eine Sache zu geben, die ihr
wichtig genug erschien.
Jake erinnerte sich an ein Gespräch, das er vor einigen
Jahren mit ihr geführt hatte. Sie war gerade erst MateR geworden
und hatte die Stellung so ziemlich auf die gleiche Weise erhalten wie
Ashraf Shanti die seine: durch den Einfluss ihrer Familie. Sie hatte
Jake ihre Pläne für die Verteilung der Ressourcen
dargelegt. Er, der vor langer Zeit einmal Anwalt gewesen war, hatte
ihr zugehört und angemerkt: »Deine Vorstellung von Macht
ist zu mütterlich, Alex.«
»Macht? Mütterlich?«
»MateR ist eine potenziell mächtige Stellung. Indem du
die Zuteilung der Ressourcen kontrollierst, kontrollierst du im
Grunde auch, was getan wird und was nicht. Du möchtest deine
Macht zum Hegen nutzen, um wissenschaftliches und materielles
Wachstum zu fördern, wo auch immer du es für richtig
hältst.«
»Natürlich will ich das«, hatte sie verwirrt
geantwortet.
»Die Gründerväter im alten Amerika hatten eine
etwas präzisere Vorstellung von Macht. Sie…«
»Wer?«
»Das spielt keine Rolle. Diese Männer schufen eine
Regierung, die später zum Vorbild wurde für die gesamte
Vereinigte Atlantische Föderation. Diese Regierung beruhte auf
einer ganz anderen Vorstellung von Macht als dein Ansatz der
mütterlichen Förderung. James Madison sagte einmal, dass
man die Ordnung nur aufrechterhalten kann, indem man Ehrgeiz gegen
Ehrgeiz und Interessen gegen Interessen setzt, zur gegenseitigen
Kontrolle.«
»Das glaube ich nicht«, hatte Alex sofort
widersprochen.
»Das weiß ich«, hatte Jake erwidert. »Du solltest es aber glauben. Sie waren Realisten, Madison und
Jefferson und Adams.«
Seit damals hatte Alex sich nicht verändert. Sie setzte sich
immer noch voll und ganz und ohne Zurückhaltung für das
ein, was ihr wichtig war.
Wie wichtig war ihr Julian Martin?
Wie wichtig im Vergleich zu Mira?
Hatten Star Chu und Yenmo Kang die Wahrheit gesagt?
Immer wieder gingen Jake diese Gedanken durch den Kopf, und er
fand keine eindeutige Antwort. Bald brummte ihm der Schädel. Er
musste dringend auf die Toilette. Für ihn allein war das
schwierig, aber möglich. Mühsam zog er sich vom Bett in den
Rollstuhl.
Nach dem Besuch im Bad rollte er den alten Stuhl – das
verdammte Ding klemmte schon wieder – zum Tisch und schnitt sich
etwas Brot ab. Er beschmierte es mit Calibeeren-Marmelade. Das Messer
zitterte in seinen Fingern. Er versuchte, vorsichtig zu sein; eine
zerschnittene Hand war nun wirklich das Letzte, was er brauchte.
Vielleicht machte das Essen ihn wieder munter genug, dass er
weiterdenken konnte. Auf dem Feldbett vor der Wand, das einst
Alex’ Bett gewesen war, schlief Jakes Pfleger immer noch. Katous
lag auf ihm. Dieser neue Pfleger, Cal Johnson, war in der Lage,
selbst einen Taifun zu verschlafen. Nun gut, man musste nehmen, was
man kriegen konnte.
Jake hatte seine Mahlzeit gerade beendet, mit klebrigen
Marmeladenresten auf Kinn und Decke, als Duncan Martin ohne
anzuklopfen eintrat.
»Verschwinde!«, brummte Jake. Einer der wenigen Vorteile
des Alters war es, dass man sich Grobheiten erlauben konnte.
»Sprich irgendwo anders vor!«
»Ich muss allein mit Ihnen reden«, verkündete
Duncan.
Damit gewann er Jakes Aufmerksamkeit. Keine geistreiche Bemerkung,
kein Zitat, kein gekünsteltes »Mein guter Mann«.
Selbst seine genetisch veränderte Schauspielerstimme wirkte
gedämpft, die faszinierenden Zwischentöne hatte er
ausnahmsweise nicht prahlerisch eingestreut. Duncan trug einen
braunen Threadmore-Overall, als hätte er versucht,
möglichst unerkannt herzugelangen. Und die Sonne war noch nicht
einmal richtig
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