Crossfire. Offenbarung: Band 2 Roman (German Edition)
ihr Mann euch ermöglicht, so bin ich doch vor allem froh, dass du es bekommst. Ich hab kein Problem damit zuzugeben, dass dein Leben durch ihre Entscheidung besser geworden ist. Ich hadere auch nicht mit meinem Schicksal. Ich bin zufrieden. Ich habe ein gutes Leben und eine Tochter, die mich verdammt stolz macht. Daher betrachte ich mich als reichen Mann, denn es gibt nichts auf der Welt, was ich mir noch wünschen könnte.«
Ich blieb stehen und umarmte ihn. »Ich hab dich lieb, Dad, und ich freue mich sehr, dass du hier bist.«
Er schlang seine Arme um mich, und da hatte ich das Gefühl, dass doch noch alles gut werden könnte. Schließlich lebten sowohl meine Mom als auch mein Dad ein erfülltes Leben ohne den Menschen, den sie liebten.
Dann konnte ich das auch.
Doch nach der Abreise meines Vaters verfiel ich in eine Depression. Die nächsten Tage schleppten sich quälend langsam dahin. Ich redete mir ein, dass ich nicht auf irgendein Zeichen von Gideon wartete, doch wenn ich abends ins Bett kroch, weinte ich mich in den Schlaf, weil wieder ein Tag ohne ein Wort von ihm zu Ende gegangen war.
Die Menschen um mich herum machten sich Sorgen. Beim Mittwochslunch bemühten sich Steven und Mark übertrieben um mein Wohlergehen. Wir gingen in das mexikanische Restaurant, in dem Shawna arbeitete. Die drei gaben ihr Bestes, um mich zum Lachen zu bringen, und ich hatte auch wirklich Spaß, weil ich die Zeit mit ihnen genoss und nicht wollte, dass sie sich Sorgen um mich machten. Doch in meinem Innern war eine Leere, die durch nichts gefüllt werden konnte. Außerdem nagte die Angst an mir wegen den Ermittlungen zu Nathans Tod.
Meine Mom rief mich täglich an, um zu fragen, ob sich die Polizei noch einmal bei mir gemeldet hatte – was nicht der Fall war –, und um mir zu sagen, ob sie oder Stanton noch einmal offiziellen Besuch bekommen hatten.
Es beunruhigte mich, dass die Detectives sich so auf Stanton einschossen, aber ich klammerte mich an die Überzeugung, dass mein Stiefvater eindeutig unschuldig war und es nichts Belastendes zu finden gab. Trotzdem … Ich fragte mich, ob sie nicht doch etwas gegen ihn in der Hand hatten. Es war offensichtlich Mord, sonst hätte man keine Untersuchung angestrengt. Nathan war neu in der Stadt gewesen, wen also hatte er gekannt, der ihn umbringen wollte?
Insgeheim konnte ich den Gedanken nicht verdrängen, dass Gideon das Ganze arrangiert hatte. Dadurch wurde es noch schwerer für mich, über ihn hinwegzukommen, denn ein Teil von mir – das kleine Mädchen, das ich einst gewesen war – hatte sich lange Zeit Nathans Tod gewünscht. Dieser Teil hatte ihm das Leid gewünscht, das ich jahrelang hatte ertragen müssen. Ich hatte meine Unschuld an ihn verloren, psychisch und physisch, und damit auch meine Selbstachtung und mein Selbstwertgefühl. Am Ende hatte ich in einer qualvollen Fehlgeburt sogar ein Kind verloren, dabei war ich selbst fast noch ein Kind gewesen.
Ich rettete mich durch die Tage, indem ich mich auf jede einzelne Minute konzentrierte. Ich zwang mich zum Krav Maga mit Parker zu gehen, fernzusehen, zu lächeln oder zu lachen, wenn es angemessen war – vor allem in Gegenwart von Cary –, und jeden Morgen aufzustehen und mich einem neuen Tag zu stellen. Ich versuchte zu ignorieren, dass ich innerlich wie tot war. In mir war nichts Lebendiges mehr, nur noch der Schmerz, der pochte wie nie enden wollendes dumpfes Kopfweh. Ich verlor an Gewicht und schlief viel, ohne mich jemals ausgeruht zu fühlen.
Am Donnerstag – »Tag sechs nach Gideon: Runde zwei« – hinterließ ich bei Dr. Petersen eine Nachricht, dass Gideon und ich nicht mehr zur Therapie kommen würden. Am gleichen Abend schickte ich Clancy zu Gideons Apartmentkomplex, wo er einen Umschlag mit Gideons Ring und dem Schlüssel zu seiner Wohnung am Empfang abgab. Eine Nachricht hinterließ ich nicht. Ich hatte alles gesagt, was es zu sagen gab.
Am Freitag bekam einer der anderen Junior Account Manager einen Assistenten, und Mark bat mich, ihm bei der Einarbeitung zu helfen. Er hieß Will, und ich mochte ihn auf Anhieb. Er hatte lockiges, kurz geschnittenes dunkles Haar mit langen Koteletten und trug eine eckige Brille, die ihm sehr gut stand. Er trank keinen Kaffee, sondern nur Wasser und war immer noch mit seiner Freundin aus der Highschool zusammen.
Einen Großteil des Vormittags verbrachte ich damit, ihn herumzuführen.
»Sie arbeiten gerne hier«, bemerkte er.
»Unheimlich gerne.« Ich
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