Crossfire. Offenbarung: Band 2 Roman (German Edition)
brachte, sondern direkt in Dr. Lucas’ Büro. Er erhob sich, als ich eintrat, und kam rasch um den Schreibtisch herum.
»Eva.« Er streckte die Hand aus, und ich ergriff sie. »Sie hätten doch keinen Termin zu machen brauchen.«
Ich rang mir ein Lächeln ab. »Ich wusste nicht, wie ich Sie sonst erreichen sollte.«
»Nehmen Sie Platz.«
Ich setzte mich, aber er blieb stehen, lehnte sich an den Schreibtisch und stützte sich mit den Händen ab. Damit nahm er die überlegene Position ein, und ich fragte mich, wieso er das nötig hatte.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte er. Er wirkte ruhig und selbstsicher, und sein Lächeln war offen und ungekünstelt. Mit seinem guten Aussehen und seiner Freundlichkeit vertraute sicher jede Mutter auf seine Fähigkeiten und Integrität.
»Gideon Cross war Ihr Patient, stimmt’s?«
Sofort richtete er sich auf, und seine Miene verschloss sich. »Ich bin nicht befugt, über meine Patienten zu sprechen.«
»Als Sie im Krankenhaus Ihre Schweigepflicht erwähnten, konnte ich nicht eins und eins zusammenzählen – obwohl ich darauf hätte kommen müssen.« Ich trommelte mit den Fingern auf meine Armbeuge. »Sie haben seine Mutter angelogen. Warum?«
Er kehrte auf die andere Seite seines Schreibtischs zurück und schaffte so mehr Distanz. »Hat er Ihnen das erzählt?«
»Nein. Ich bin nach und nach dahintergekommen. Rein hypothetisch gesprochen: Warum sollten Sie wegen eines Untersuchungsergebnisses lügen?«
»Das würde ich niemals tun. Sie sollten jetzt gehen.«
»Ach, kommen Sie schon!« Ich lehnte mich zurück und schlug die Beine übereinander. »Da hätte ich aber mehr von Ihnen erwartet. Wie steht es denn jetzt um Ihre Behauptungen, Gideon sei ein seelenloses Monster, das nur darauf aus sei, Frauen zu zerstören?«
»Ich bin nur meiner Pflicht nachgekommen, als ich Sie warnte.« Sein Blick war hart, sein Mund spöttisch verzogen. Jetzt sah er nicht mehr so gut aus. »Sollten Sie weiterhin gewillt sein, Ihr Leben wegzuwerfen, kann ich nichts dagegen tun.«
»Ich werde es herausfinden. Ich musste nur Ihr Gesicht sehen. Ich musste wissen, ob ich richtiglag.«
»Nein. Cross war nie mein Patient.«
»Das ist Haarspalterei! Seine Mutter hat Sie aufgesucht. Und wenn Sie sich wieder mal darüber aufregen, dass Ihre Frau sich in Gideon verliebt hat, denken Sie mal darüber nach, was Sie einem Kind angetan haben, das Ihre Hilfe gebraucht hätte.«
Meine Stimme wurde schärfer in dem Maße, wie meine Wut stieg. Ich konnte nicht an Gideons schmerzhaftes Schicksal denken, ohne sofort den Drang zu verspüren, alle zu bestrafen, die daran Anteil hatten.
Ich stand auf. »Was zwischen ihm und Ihrer Frau vorgefallen ist, geschah mit dem Einverständnis zweier Erwachsener. Aber was ihm als Kind zustieß, war ein Verbrechen, und es ist grotesk, wie Sie dazu beigetragen haben.«
»Raus.«
»Aber gern.« Ich riss die Tür auf und stieß fast mit Gideon zusammen, der direkt neben der Tür an der Wand lehnte. Er fasste mich am Oberarm, aber sein Blick war voller Hass und Wut auf Dr. Lucas gerichtet.
»Halten Sie sich von ihr fern.«
Lucas lächelte boshaft. »Sie ist zu mir gekommen.«
Gideon warf ihm seinerseits ein Lächeln zu, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Ich rate Ihnen, die Flucht zu ergreifen, wenn Sie sie das nächste Mal kommen sehen.«
»Das ist ja witzig. Genau denselben Rat habe ich ihr in Bezug auf Sie gegeben.«
Ich zeigte dem Doktor den Mittelfinger.
Schnaubend packte Gideon meine Hand und zerrte mich den Flur hinunter. »Wieso zeigst du allen Leuten den Mittelfinger?«
»Wieso? Ist doch ein Klassiker.«
»Sie können nicht einfach so hier hereinplatzen!«, zischte die Arzthelferin, als wir am Empfang vorbeikamen.
Er warf ihr einen kurzen Blick zu. »Sie können den Sicherheitsdienst zurückpfeifen. Wir gehen.«
Wir verließen die Praxis. »Hat Angus mich verpetzt?«, murrte ich und versuchte, mich von ihm loszureißen.
»Nein. Hör auf herumzuzappeln. Alle Wagen sind mit GPS ausgerüstet.«
»Du bist völlig durchgeknallt, das ist dir doch klar, oder?«
Er schlug auf den Aufzugknopf und starrte mich finster an. »Ich bin durchgeknallt? Und was ist mit dir? Du bist doch total neben der Spur. Erst meine Mutter, dann Corinne und jetzt der verfluchte Lucas. Was zum Teufel soll das eigentlich, Eva?«
»Das ist allein meine Sache.« Ich hob das Kinn. »Schließlich haben wir uns getrennt, schon vergessen?«
Er biss die Zähne zusammen.
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