Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Titel: Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
Vom Netzwerk:
Hüftgelenke aus glänzendem Plastik eingesetzt. Frauen aber werden benutzt. Kein Wunder, wenn man bedenkt, was alles in den Körper einer Frau eindringt. Tampons und Diaphragmen. Schwänze, Finger, Vibratoren und so weiter, von vorn, von hinten, in den Mund. Konsumiert. Männer stecken eben gerne Dinge in Frauen hinein. Gurken, Bananen und Flaschen, Perlenketten, Textmarker, die Faust. Einmal wollte mir ein Typ einen Telefonhörer einführen. Ich habe dankend abgelehnt.
    Krank, kränker, am kränksten. Was war echt, was gespielt? War Amma wirklich krank und brauchte Mutters Medizin, oder machte genau diese Medizin sie krank? Musste ich mich von ihrer blauen Pille übergeben, oder schützte sie mich vor noch größerer Übelkeit?
    Wäre Marian auch gestorben, wenn sie eine andere Mutter gehabt hätte? Ich dachte an meine Mutter und deren Mutter und den Zyklus der Krankheiten. Wer war wirklich davon befallen, wer simulierte nur? Ich glaube, viele Frauen simulieren. Einen Orgasmus, eine Krankheit. Krankheit kann genauso schön sein wie Sex. Wer wird denn nicht gern bemuttert? Wer bemuttert nicht gern andere?
     
    Mir war klar, dass ich Richard anrufen musste, wusste aber nicht, was ich ihm sagen sollte. Ich habe Angst. Ich kann nicht mehr. Ich will sterben. Ich fuhr am Haus meiner Mutter vorbei Richtung Farm und hielt am Heelah’s, einem tröstlichen, fensterlosen Steinblock von einer Kneipe, in der man die Tochter der Chefin wohlweislich in Ruhe lassen würde.
    Drinnen stank es nach Schweineblut und Urin – sogar die Schalen mit Popcorn, die auf der Theke standen, rochen nach Fleisch. Einige Männer mit Baseballkappen und Lederjacken, breiten Schnurrbärten und finsterem Blick schauten kurz hoch, als ich eintrat, und konzentrierten sich dann wieder auf ihr Bier. Der Barkeeper schenkte mir wortlos einen Bourbon ein. Aus den Lautsprechern dröhnte ein Stück von Carole King. Als er die zweite Runde einschenkte, deutete der Barkeeper hinter mich und fragte: »Suchen Sie den da?«
    John Keene hockte zusammengesunken in der einzigen Nische und zupfte Holz von einer gesplitterten Ecke der Tischplatte. Seine weiße Haut war vom Trinken rosa gefleckt, die feuchten Lippen und die Art, wie er mit der Zunge durch den Mund fuhr, verrieten mir, dass er sich schon übergeben hatte. Ich nahm mein Glas und setzte mich schweigend auf die Bank gegenüber. Er lächelte und streckte mir die Hand entgegen.
    »Hi, Camille. Wie geht’s Ihnen? Sie sehen so hübsch und sauber aus.« Er schaute sich um. »Hier … ist es so schmutzig.«
    »Ach, geht schon, John. Und wie geht es dir?«
    »Alles bestens. Meine kleine Schwester wurde ermordet, ich kann jeden Augenblick verhaftet werden, und meine Freundin, die an mir gehangen hat wie eine Klette, seitdem ich in diese beschissene Stadt kam, merkt allmählich, dass ich doch kein Hauptgewinn bin. Ist mir ziemlich egal. Sie ist okay, aber … ich weiß immer schon, was sie als Nächstes sagt. Sie ist nett, aber nicht …«
    »Überraschend«, schlug ich vor.
    »Genau. Genau das. Vor der Sache mit Natalie wollte ich eigentlich Schluss machen. Jetzt geht das nicht mehr.«
    Über eine Trennung würde natürlich die ganze Stadt genüsslich diskutieren. Auch Richard.
Was hat das zu bedeuten? Ist das ein Beweis seiner Schuld?
    »Ich will nicht zurück zu meinen Eltern«, murmelte John. »Lieber fahre ich in den Scheißwald und bring mich um, bevor ich wieder dahin gehe, wo mich überall Natalies Sachen anstieren.«
    »Das kann ich dir nicht verdenken.«
    Er schob den Salzstreuer kreisend auf dem Tisch herum.
    »Ich glaube, Sie sind der einzige Mensch, der das versteht. Wie es ist, seine Schwester zu verlieren. Und dass alle einfach erwarten, dass man damit klarkommt. Einfach weiterlebt. Sind Sie
darüber hinweggekommen
?« Er klang so verbittert, dass ich schon damit rechnete, seine Zunge würde sich gelb färben.
    »Man kommt nie darüber hinweg«, sagte ich. »Es ist wie eine ansteckende Krankheit. Mich hat es kaputtgemacht.« Es tat gut, es auszusprechen.
    »Warum finden es alle so seltsam, dass ich um Natalie trauere?« John warf den Salzstreuer um, er fiel scheppernd zu Boden. Der Barkeeper schaute missbilligend herüber. Ich hob den Streuer auf, stellte ihn auf meine Seite und warf für uns beide eine Prise Salz über die Schulter.
    »Ich nehme an, von jungen Leuten erwartet man, dass sie Dinge schneller akzeptieren«, sagte ich. »Außerdem sind Sie ein Mann. Männer sind angeblich nicht so

Weitere Kostenlose Bücher