Crystall (German Edition)
im Schutze der Hütte und Mandy ließ es kommentarlos geschehen, obwohl sie keinen Sinn darin sah. Aber ein wenig Erholung tat auch ihr ganz gut. Zum ersten Mal spürte sie am eigenen Leib, dass auch Spannung und Konzentration allein an Kräften zehren konnten.
Schließlich entschloss sich der Prinz, weiterzugehen. Keine Ahnung, welche Beweggründe ihn so vorwärts trieben, Mandy ging ihm einfach nach.
Die Nacht würde nicht nur schlimmer werden, sie tat es bereits. Mandy bekam das zu spüren, als sie die Deckung des Hauses verließen und auf den Hauptweg hinaustraten. In den wenigen Minuten hatte sich das Wetter schlagartig verändert und Mandy das Gefühl, als müsse sie plötzlich gegen einen Orkan ankämpfen. Aus dem leichten Lüftchen war ein unangenehmes Wehen geworden und trug Kälte und Schnee mit sich, die allesamt wütend in Mandys Gesicht peitschten. Einen solchen Schneesturm hatte sie lange nicht mehr erlebt, selbst Nawarhon schien überrascht, denn er blieb einen Moment stehen und drehte sich besorgt zu dem Mädchen herum, wobei er den Kopf tief zwischen die Schultern steckte.
Mandy signalisierte ihm, dass sie klar kommen würde. Sie hatte versucht zu sprechen, doch sich selbst dabei kaum verstanden. Der Wind war so gewaltsam angewachsen, dass es ihr für eine Sekunde nicht natürlich erschien. Aber der Gedanke war Unsinn, änderte allerdings auch nichts daran, dass die eisigen Böen unangenehm waren und Mandy das Gefühl hatte, sich gegen eine unsichtbare Wand stemmen zu müssen. Er fegte brüllend durch die Siedlung, hier und da knarrten bereits die ersten Holzdielen der einfachen Hütten.
Mandy schlug jetzt ihren Kragen hoch und zog ihn bis ins Gesicht hinauf, was allerdings dazu führte, dass nun ihre Hände abfroren. Leicht vornüber gebeugt folgte sie dem Prinzen weiterhin und fragte sich schon nach einigen Minuten, wie er die Orientierung behalten konnte. Sie dachte jedoch nicht weiter darüber nach, sie war mit gänzlich anderen Dingen beschäftigt. Wahrscheinlich hätte sie nicht einmal den Satyr bemerkt, wenn er direkt vor ihr aufgetaucht wäre.
Weitere zehn Minuten verstrichen, in denen sie quer durch das Dorf liefen – besser gesagt, kämpften – und Mandy allmählich an Nawarhons Verstand zu zweifeln begann. Wenn sie nicht vollkommen die Sinne verloren hatte, dann mussten sie bereits im Kreis laufen. Sie schwieg auch diesmal beharrlich weiter. Immerhin war der Wind in dieser Zeit erträglicher geworden. Kälte und Schnee nahmen nicht ab, sondern im Gegenteil noch eher zu, aber der Sturm peitschte nicht mehr ununterbrochen als eine Orkanböe in ihr Gesicht, sondern nur noch in vereinzelten Wehen, sodass Mandy wenigstens hin und wieder aufblicken konnte. Dennoch fühlte sie sich miserabel, der Wind schnitt wie Tausende, eisige Nägel in ihr Gesicht und überallhin, wo sie wenig geschützt war. Der Schneefall wurde so heftig, dass er mittlerweile nur noch ein weißer Schleier vor ihren Augen darstellte. Mandy erkannte kaum noch die Umgebung, lediglich ein auf Auf und Abhüpfen von dicken, frostigen Schneeflocken, die sie völlig durchnässten.
Mandy verbarg ihre zu Eisklumpen gewordenen Hände endlich in den Kleidern und senkte dafür den Kopf noch tiefer, um gegen die schlimmste Kälte gefeit zu sein. Sie amtete kräftig durch, beobachtete die nebelfetzigen Rauchwolken, die aus ihrem Mund stiegen und kämpfte sich verbissen vorwärts. Sie spürte, wie ihre Schritte schwerer wurden. In wenigen Minuten musste der Schnee so hoch sein, dass sie gar nicht mehr laufen können würde.
Mandy war so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie unvermindert gegen Nawarhon prallte, als dieser plötzlich stehen blieb. Erschrocken sah sie auf und fühlte gerade noch, wie sie zwei Arme zur Seite rissen und etwas haarscharf an Mandys Gesicht vorbei flog. Entsetzt sah sie zurück und glaubte eine Axt zu erkennen, die im Schneetanz der Nacht verschwand.
Der Prinz ließ sie los. „Bleib in Deckung!“, schrie er durch den Wind und ging weiter.
Mandy bemerkte erst viel zu spät, was geschehen war. Entsetzt starrte sie auf die Gestalt, gehüllt in einen schwarzen Panzer und mit einem gewaltigen Bihänder bewaffnet. Sie maß gut einen Kopf größer als Nawarhon und war auch um einiges massiger.
Der König!
Mandy blieb der Atem im Halse stecken, als sie sah, wie sich die ungleichen Gegner aufeinander stürzten.
Alles ging unglaublich schnell, so dass sich das Mädchen abermals der Tatsache bewusst
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