Cujo
Cujo durch das Fell. »Was hält denn deine Frau davon?«
»Sie weiß nicht, daß wir fahren. Muß sie auch nicht unbedingt.«
»Ach so.«
»Sie fährt mit dem Jungen nach Connecticut. Sie will ihre Schwester besuchen und den Spinner, mit dem sie verheiratet ist. Sie bleiben eine Woche weg. Sie hat ein bißchen Geld in der Lotterie gewonnen. Das kann ich dir ruhig gleich sagen. Sie geben die Namen sowieso im Radio durch. Das steht alles auf der Gewinnbescheinigung, die sie unterschreiben mußte.«
»Sie hat Geld in der Lotterie gewonnen?«
»Fünftausend Doüar.«
Gary pfiff durch die Zähne. Cujo bewegte bei dem Geräusch unruhig die Ohren.
Joe berichtete Gary, was Charity ihm beim Abendessen erzählt hatte, aber er erwähnte nicht, daß sie sich gestritten hatten. Er stellte das Ganze als einen Handel hin, der seine Idee gewesen war: Sie durfte mit dem Jungen nach Connecticut, dafür durfte er ihn im Herbst eine Woche lang in Moosehead mit auf die Jagd nehmen.
»Und du gehst jetzt nach Boston und gibst einen Teil des Geldes für dich selbst aus, du schäbiger Hund«, sagte Gary. Er schlug Joe auf die Schulter und lachte. »Du bist mir der Richtige.«
»Warum sollte ich nicht? Weißt du, wann ich das letzte Mal einen freien Tag hatte? Ich kann mich gar nicht erinnern. Ich habe diese Woche nicht viel zu tun. Ich hatte fast zwei Tage für die Ventile an Richies International eingeplant, weil ich den Motor rausreißen muß, aber mit dem Deckenkran geht es in vier Stunden. Er soll ihn morgen bringen, dann erledige ich das am Nachmittag. Außerdem habe ich noch eir\e Getriebereparatur, aber die ist nur für einen Lehrer. Von der höheren Schule. Der kann warten. Ein paar andere Sachen auch. Ich rufe die Leute einfach an und sage ihnen, daß ich ein paar Tage Urlaub mache.«
»Und was willst du in Boston?«
»Nun, vielleicht sehe ich mir in Fenway ein Spiel der Dead Sox an. Und dann gehe ich vielleicht in die Washington Street…«
»Die Nahkampfzone! Verdammt, das wußte ich doch!« Gary lachte laut und schlug sich auf die Schenkel. »Erst siehst du ‘ne Porno-Show, und anschließend fängst du dir einen Tripper ein!«
»Allein macht es aber keinen Spaß.«
»Na ja, ich könnte ja mitkommen, wenn du mir ein bißchen von dem Geld leihst, bis ich meinen Scheck habe.«
»Kann ich machen«, sagte Joe. Gary war ein alter Säufer, aber seine Schulden bezahlte er zuverlässig.
»Ich glaube, ich habe seit vier Jahren keine Frau mehr gehabt«, sagte Gary nachdenklich. »Ich habe die halbe SpermaFabrik drüben in Frankreich verloren. Was noch übrig ist, funktioniert manchmal, aber manchmal auch nicht. Würde Spaß machen zu sehen, ob ich mit meiner Ramme noch rammen kann.«
»Ja«, sagte Joe. Er lallte jetzt schon, und in seinen Ohren summte es. »Und vergiß nicht das Baseballspiel. Weißt du, wann ich zuletzt in Fenway war?«
»Nein.«
»Neunzehn-hundert-achtund-sechzig«, sagte Joe und unterstrich jede Silbe durch einen Schlag auf Garys Arm. Dabei verschüttete er die Hälfte seines Getränks. »Bevor mein Sohn geboren wurde. Sie spielten gegen die Tiger und verloren sechs zu vier, die Flaschen.«
»Und wann willst du fahren?«
»Ich denke, Montagnachmittag gegen drei. Meine Frau und der Junge werden wohl morgens fahren. Ich bringe sie zur Greyhound-Station nach Portland. Dann habe ich noch den Vormittag und den halben Nachmittag, um das Wichtigste zu erledigen.«
»Nimmst du den PKW oder den Lastwagen?«
»Den PKW.«
Garys Augen wurden in der Dunkelheit ganz weich und verträumt. »Schnaps, Baseball und Weiber«, sagte er und setzte sich aufrecht hin. »Das macht mir einen Scheißdreck aus.«
»Du kommst also mit?«
»Ja.«
Joe rülpste, und sie fingen beide an zu lachen. Sie merkten nicht, daß Cujo den Kopf gehoben hatte und ganz leise knurrte.
Am Montag dämmerte der Morgen in allen Schattierungen von Grau. Der Nebel war so dicht, daß Brett Camber von seinem Fenster aus die Ulme im Hof nicht erkennen konnte, die nur zwanzig Meter entfernt war.
Attes im Haus schlief noch, aber er selbst konnte nicht mehr schlafen. Er dachte an die bevorstehende Reise und fieberte ihr entgegen. Nur er und seine Mutter. Es würde eine schöne Reise werden, das wußte er genau, und unbewußt war er froh, daß sein Vater nicht mitkam. Er würde unter keinem Zwang stehen. Er würde nicht versuchen müssen, irgendeinem Männlichkeitsideal zu entsprechen, das sein Vater für sich selbst verwirklicht hatte, das er
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