Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
CyberCrime

CyberCrime

Titel: CyberCrime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Glenny
Vom Netzwerk:
Boa und Script hin- und hergewandert waren. »Ich brauchte Boa kein einziges Mal zu verhören«, sagte Crabb. »Es hat mich überhaupt nicht interessiert, was der Bursche zu sagen hatte, schließlich besaß ich ja seine Festplatte – er konnte mir nichts Neues mehr erzählen.«
    In Wirklichkeit konnte Crabb wahrscheinlich aus dem Computer nicht so viel herausholen, wie er gern gewollt hätte. Anscheinend gelang es den US -Behörden zwar irgendwann, eines der Verschlüsselungssysteme auf dem VAIO -Laptop zu knacken, der Eigentümer hatte ihn aber zusätzlich mit dem sehr leistungsfähigen (und kostenlos herunterladbaren) System Handy Bits EasyCrypto gesichert. Dieses verhinderte den Zugriff auf rund 80 Prozent der Dateien des Computers.
    In den Carderforen herrscht bis heute Verbitterung, weil die Mitglieder annehmen, Roman Vega habe Golubow verpfiffen. Das stimmt nicht – alle Informationen über Golubow wurden dem VAIO -Computer entnommen. Vega selbst schwieg nicht nur und zahlte dafür persönlich einen hohen Preis, sondern er sitzt jetzt bereits seit fast zehn Jahren in zypriotischen und amerikanischen Gefängnissen, ohne dass man ihn auch nur eines einzigen Verbrechens überführen konnte.
    Was Script anging, waren Crabb trotz der vielen neuen Informationen die Hände gebunden. Script hielt sich in der Ukraine auf – im Gegensatz zu Maxim Kowaltschuk, der zusammen mit seiner Frau wegen des Autodesk-Betruges in einer Milchbar in Bangkok festgenommen wurde, drei Monate nachdem man Roman Vega in Nikosia dingfest gemacht hatte. Wie Vega, der von Zypern nach Kalifornien ausgeliefert wurde, so trat auch Kowaltschuk von Thailand aus die Reise an die amerikanische Westküste an.
    Script hatte nicht die Absicht, sein Heimatland zu verlassen, und um sich noch besser zu schützen, gab er Anfang 2004 auf CarderPlanet bekannt, er werde von seinem Posten zurücktreten und die Site ein für alle Mal verlassen.
    Wie immer hatte Script einen Plan. Mit dem Kartenbetrug, den er in seiner denkwürdigen Formulierung »ohne Schuldgefühle« begangen hatte, war er zu viel Geld gekommen und wollte jetzt in legale Geschäftstätigkeiten investieren. Vielleicht hoffte er, damit zukünftigen Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen. Vielleicht ging sein Ehrgeiz auch über den Cyberspace hinaus. Seine dramatische Ankündigung machte er auf CarderPlanet: Er werde die Administration der Website einem vertrauenswürdigen consigliere übertragen und sich in den Foren nicht mehr äußern.
    Es schien, als ginge Script seinen Weg unbeirrbar. Aber mit einem hatte er nicht gerechnet.
    Mit einer Revolution.

8 Script wird ausgeschrieben
    Boris Borisowitsch Popow rief in seinem Büro an und sagte, er leide unter dem Wetter. Der Arzt habe ihm geraten, ein paar Tage lang kürzerzutreten. Einige Kollegen waren überrascht. Mit seinem zarten Körperbau und den jungenhaften Gesichtszügen erinnerte Boris Borisowitsch zwar manchmal an ein kränkliches Kind, aber vermutlich war er unter ihnen allen der Fleißigste und Disziplinierteste. »Mit ihm zusammenzuarbeiten war eine Freude«, sagte einer von ihnen später. »Einen Besseren gab es in der ganzen Dienststelle nicht.«
    Nachdem Popow sich bei seinem Arbeitgeber entschuldigt hatte, legte er sich aber keineswegs ins Bett, sondern er spazierte – fit wie ein Turnschuh – aus seiner Wohnung, winkte sich ein Taxi und fuhr zum Borispol-Flughafen von Kiew. Dort checkte er für einen Flug nach Odessa ein. Er stammte ursprünglich aus Donezk in der östlichen Ukraine, und Russisch war seine Muttersprache. Solange er seinen Verstand beisammenhielt, würde seine Anwesenheit im Süden keinen Verdacht erregen.
    In Odessa angekommen, fuhr er mit dem Bus in die Stadt. Es war ein heißer Tag im Juli. Die Temperatur lag bei knapp 30 Grad, wurde aber durch eine frische Brise, die vom Schwarzen Meer heranwehte, angenehm gemacht. Wenig später hatte Popow das private Apartment gefunden, das er angemietet hatte. Nach einigen Stunden waren auch seine drei Teamkollegen da: Natascha Obrizan und die Herren Grischko und Baranetz. »In einem Hotel konnten wir nicht absteigen, denn wir trauten der örtlichen Polizei nicht über den Weg«, erklärte Boris. Im ganzen Land wusste nur noch eine einzige weitere Person, dass sie in Odessa waren: der Innenminister.
    Ein halbes Jahr zuvor hatten sich in der Ukraine dramatische Umwälzungen abgespielt: die »Orangefarbene Revolution«. In dem außergewöhnlich fruchtbaren Land, das

Weitere Kostenlose Bücher