Dämenkind 2 - Kind der Götter
rüpelhaft gewesen.
»Dann wünsche ich Euch eine gute Nacht, Ihr Herren«, fügte die Prinzessin ihren vorherigen Worten hinzu und erhob sich anmutig aus dem Lehnstuhl. »Möge der Allerhöchste mit Euch sein, während Ihr die Pläne
für einen raschen und entscheidenden Sieg ersinnt. Komm, Kind.«
Prinzessin Adrina streckte die Hand aus, und in tiefer Andacht ergriff Mikel sie. Beim Verlassen des Zelts spürte er die Kälte überhaupt nicht mehr. Auch dass der hoch gewachsene fardohnjische Hauptmann ihnen ins Freie folgte, nahm er kaum zur Kenntnis. Die Prinzessin sagte in ihrer Muttersprache etwas zu dem Hauptmann, der nickte und ins Dunkel entschwand; anschließend wandte sie sich an Mikel.
»Du musst der tapferste Junge ganz Kariens sein«, meinte sie voller Bewunderung, »wenn du eine so lange Frist im Lager der Gottlosen durchlitten hast, ohne deinem Glauben untreu zu werden. Ich möchte, dass du mir alles, alles erzählst, was du während der Gefangenschaft bei den bösen Hütern erleben musstest.«
»Ich will mir die größte Mühe geben«, versprach Mikel, »mich auf alles zu besinnen, Eure Hoheit.« Für Prinzessin Adrina würde er durchs Meer der Verzweiflung und wieder zurück schwimmen.
25
»HAST DU DENN NUN gänzlich den Verstand ver
loren?!«
R'shiel begegnete, während sie neben Brakandaran absaß, dessen Zorn mit einer Gelassenheit, die sie im tiefsten Innern keineswegs empfand. Ein wenig ähnelte diese Maßnahme der Unterdrückung ihrer Gefühle, die Korandellan ihr auferlegt hatte; doch in diesem Fall war sie selbst es, die sich den Zustand der Gemütsruhe auferlegte. Sie lernte dazu.
»Es gibt keine andere Möglichkeit, Brakandaran.«
»Das Vorhaben kann nie und nimmer gelingen«, be
harrte Brakandaran, während er auf dem höckerigen Untergrund hin und her stapfte. Die prächtigen, aus Magie-Zucht stammenden Rösser, die ihnen die Hythrier geliehen hatten, entfernten sich, um zu grasen. R'shiel gewahrte ihre schlichten Gedanken, während sie zufrieden frisches Gras mampften. Die Luft war kühl und still, als wäre der Herbst noch unschlüssig, ob er dem Winter weichen oder noch ein Weilchen lang im Tiefland verweilen sollte.
Sie waren südwärts geritten, hinaus in die ausgedehnte, grasige Ebene, bis sie sich außer Sichtweite des Heerlagers befanden. Brakandaran hatte darauf bestanden, unter vier Augen mit ihr zu reden. Sobald er den Mund auftat, hatte sie den Anlass seiner Vorsicht begriffen. Er
wollte nicht, dass die Menschen es hörten, wie er sie schalt, als wäre sie ein ungezogenes Kind. Oder vielleicht widerstrebte es ihm, Beschränkungen der harshinischen Magie-Macht offen einzugestehen. Es fiel leichter, im Ruf der Unbezwinglichkeit zu verbleiben, wenn niemand ahnte, dass man in Wahrheit Schranken kannte.
»Nur eine Kleinigkeit braucht fehlzuschlagen, und der gesamte Trug fällt in sich zusammen. Nur eine Kleinigkeit! Du kannst keinesfalls mir nichts, dir nichts mit einer Dämonenverschmelzung in die Zitadelle Einzug halten und damit vors Konzil der Schwesternschaft treten, ganz davon zu schweigen, dass es irgendwie möglich sein könnte, es vor der Versammlung mit aller gebotenen Glaubhaftigkeit als Frohinia auszugeben.«
»Vor dem Kriegsrat war die Erscheinung sehr wohl glaubhaft«, widersprach R'shiel.
»Und wie lange? Das Konzil tagt für die Dauer vieler Stunden. So lange kann das Gebilde nicht Bestand haben.«
»Dranymir sagt, es könnte, eine gründliche Einübung vorausgesetzt, durchaus länger bestehen bleiben.«
»Einübung? Hast du davon eine Vorstellung, wie viel Zeit die Dämonen zum Üben brauchen? Ein Drache ist das Ergebnis von tausend Jahren des Übens, R'shiel. Garet Warner bricht übermorgen zur Zitadelle auf, und er wird es nur mit knapper Not schaffen, noch rechtzeitig zum Konzil einzutreffen. Selbst wenn du beizeiten dort eintriffst, müsstest du wenigstens ein Quorummitglied dazu überreden, dein Anliegen zu unterstützen, dass Mahina von neuem zur Ersten Schwester gewählt wird. Darüber könnten Wochen verstreichen, selbst wenn die
Dämonenverschmelzung hinreichende Festigkeit hätte, um eine dermaßen schwierige Aufgabe zu erfüllen.«
R'shiel seufzte geduldig. Sie hatte gründlicher über all die Schwierigkeiten nachgedacht, als Brakandaran es ahnte. »Ich kann mich in eine Sichtschutz-Magie hüllen. Dann errege ich kein Aufsehen.«
»Ah ja, damit ändert sich natürlich die ganze Sache!« Brakandaran prustete. »Nun ist sie nicht mehr
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