Dämon
postierte sich auf der anderen Seite. Beide spähten nach draußen. Ich lud meinen Karabiner durch, lehnte ihn neben mir an die Wand und blickte hinaus auf die Lichtung. Die Vegetation war bis auf eine Reihe schwarzer Baumstümpfe weggebrannt und weggeschnitten worden. Die freie Fläche erstreckte sich nun mehr als dreißig Meter rings um den Bunker, bevor der dichte Dschungel begann. Am Rand der freien Fläche brannten knisternd die Fackeln und sandten gelegentliche Funkenschauer zum Himmel. Hunderte von Insekten umschwärmten ihr Licht.
Seals stand neben Vincent und beobachtete seinen Abschnitt. Ich drückte die Wange an den Rand der Scharte, als ich plötzlich einen eiskalten Hauch im Gesicht spürte. Die Kälte wehte vom Dschungel herein, und sie brachte den Gestank von Tod und Verwesung mit sich.
»Der Kuro«, sagte einer der Japaner auf Englisch. »Er weht kräftig heute Nacht.«
Das Horn – oder was es auch war – blies erneut, und das Geräusch dröhnte durch den Bunker. Vincent schluckte; ich sah, wie sein Adamsapfel tanzte. Draußen im Dschungel erschien ein Licht. Eine einzelne Flamme. Ich hob die Schulter und wischte mir damit den Schweiß von der Wange. Die Luft im Bunker war heiß und feucht; nach der eisigen Brise spürte ich, wie mir der Schweiß noch stärker ausbrach.
Ein zweites Licht erschien. Es bewegte sich in einem weiten Kreis um den Bunker herum. Dann flammte ein drittes Licht auf, dann ein viertes.
»Was bedeutet das?«, fragte Vincent, an Seals gewandt.
»Keine Ahnung.« Seals hob sein Gewehr und schob es durch die Schießscharte. »Sieht aus, als wäre da draußen jemand.«
Weitere Lichter flammten auf, bis der Dschungel erfüllt war von kleinen Feuern. Dann trat jemand aus dem Unterholz auf die freie Fläche. Zuerst konnte ich nur die Silhouette erkennen; dann aber kam die Gestalt in den Schein einer der Fackeln.
Es war ein Mann. Er ging gebeugt vom Gewicht eines Holzkreuzes auf seinem Rücken. Es war ein großes Kreuz, und er musste sich vornüberneigen, damit das Ende nicht hinter ihm über den Boden schleifte. Seine Arme waren ausgebreitet, und über die Lichtung hinweg konnte ich die Nägel sehen, die durch seine Hände in den Querbalken des Holzkreuzes getrieben worden waren.
»Gütiger Himmel …«, flüsterte einer der Männer. »Was ist das?«
Brogan atmete scharf ein und bekreuzigte sich. Dann griff er nach dem Gewehr, das neben ihm an der Wand lehnte.
Die Gestalt kam immer näher. Sie stolperte unter dem schweren Gewicht auf dem Rücken. Der Oberkörper war nackt und verschmiert mit Blut und Dreck. Als die Gestalt näher kam, hob sie plötzlich den Kopf und blickte zu uns.
Wir alle erkannten sie.
Es war Hartmere. Einer der Männer auf Wache, die in der ersten Nacht verschwunden waren.
Er war auf seinen Posten gegangen und am nächsten Morgen nicht mehr da gewesen.
»Das … das ist Hartmere …«, keuchte Vincent.
»Aber Hartmere ist tot!«, entgegnete ich. »Wir haben seinen Leichnam begraben!«
Der gekreuzigte Marine hatte bereits die halbe Strecke zwischen dem Rand der Lichtung und unserem Bunker überwunden, als er in die Knie brach und das Kreuz hinter ihm auf den Boden schlug. Wir beobachteten das Geschehen schreckensstarr, mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen.
»Ich gehe ihn holen.« Vincent trat vom Fenster zurück.
»Sie bleiben hier!«, befahl der Captain. »Niemand verlässt den Bunker.«
»Nein, Sir!«, widersprach Vincent und setzte sich in Bewegung. »Ich hole ihn!«
»Sie werden es nicht bis zu uns zurück schaffen.«
Der Captain wollte ihn festhalten, doch Vincent schüttelte ihn ab, hob den Stamm zur Seite, der die Tür sicherte, und zog sie auf, um nach draußen zu schlüpfen. Der Captain folgte ihm nicht. Vincent zögerte kurz vor dem Eingang und blickte sich auf der Lichtung um. Die freie Fläche vor dem Bunker schimmerte rötlich im flackernden Licht der Fackeln. Wer immer sonst noch draußen im Dschungel war, er hatte sich bisher nicht gezeigt.
Hartmere hielt sich noch auf den Knien. Sein Kopf war nach vorn auf die Brust gesunken. Vincent näherte sich vorsichtig und mit erhobener Waffe.
Er umrundete einen der angespitzten Bambusstäbe, trat vor den knienden Marine und ging in die Hocke. »He, Kumpel?«, sagte Vincent und schulterte sein Gewehr, um dem Marine beim Aufstehen zu helfen. »Komm, ich helfe dir.«
Hartmeres Schultern bewegten sich zuckend. Ein leises Geräusch drang über seine Lippen, und er atmete laut.
Weitere Kostenlose Bücher