Daemonen kuesst man nicht
sollte.
Ich warf einen Blick zurück auf Großmutter auf ihrem Motorrad und bedeutete ihr, dass ich einen Zahn zulegen wollte.
Sie würde begeistert sein. Ihr blies es erst richtig das Haar nach hinten und gab ihr den entsprechenden Kick, wenn die Geschwindigkeit über hundertvierzig Stundenkilometer betrug. Ich hingegen zog es vor, daran zu glauben, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen durchaus sinnvoll waren. Außerdem brachte mich Parate beinahe aus dem Gleichgewicht, als ich Vollgas gab. Er liebte hohe Geschwindigkeiten – er stellte sich dann immer vor, er würde laufen.
Pirates Schwanz klopfte gegen meinen Bauch, als ich aufdrehte. »Das ist meine Kragenweite!«, rief er. »Und jetzt ein Wheelie!«
»Lieber nicht.« Ich duckte mich, um einer seiner zappelnden Pfoten auszuweichen, und beschleunigte auf hundertfünfzig Stundenkilometer.
Seit wir aus der Hölle zurückgekehrt waren, war ich äußerst gereizt. Ich wusste nicht, ob es an dem schrecklichen Erlebnis lag, mit einem Dämon der fünften Ebene konfrontiert worden zu sein, oder an der Tatsache, dass ich einen Teil meines Wesens stillschweigend aufgegeben hatte, um Dimitris Leben zu retten. Wahrscheinlich lag es an beidem.
Als ich Dimitris blutenden Kopf auf meinem Schoß gewiegt und mich dazu entschlossen hatte, ihn zurückzuholen, hatte Großmutter mich vor den Folgen gewarnt. Unglücklicherweise wusste sie nicht genau, was die Konsequenzen sein würden. Zu diesem Zeitpunkt war mir das egal gewesen. Und ich würde das alles selbstverständlich wieder tun. Trotzdem hatte ich das Gefühl, als liefe ich ständig durch die Gegend und wartete auf die nächste Katastrophe.
Vielleicht hätte ich ihm sagen sollen, dass ich ihm das Leben gerettet hatte. Andererseits könnte ich damit auch eine weitere Lawine lostreten.
Als wir uns mit Hochgeschwindigkeit Las Vegas näherten, begann ich die Sukkuben zu spüren. Zuerst war es eine gewisse
Schwere, so als würden Sorgen wie aus einem Wasserfall auf mich herabstürzen. Ich gab noch mehr Gas.
O ja.
Ich wollte sie spüren, wollte sie sehen. Je weiter ich mich Las Vegas und den dortigen Dämonen näherte, umso stärker wurde mir bewusst, dass ich dort gebraucht wurde. Ich konnte sie in Gedanken beinahe schon erreichen. Und es gab dort nicht mehr nur die sechs anfänglichen Teufel. Auch nicht die dreizehn, von denen Officer Reynolds vom AIA gesprochen hatte. O nein. Dort befanden sich mindestens zwei Dutzend dieser Dämonen.
Auszug aus The Dangerous Book for Demon Slayers:
Vorsicht vor lebenden Zaubern. Sie mögen nett aussehen, aber sie haben meistens ihren eigenen Kopf. Typisches Beispiel: ein fünf Zentimeter großer schwarz-goldfarbener Falter namens Beanie. Seine Aufgabe ist es, Kaffee aus den Starbucks-Cafés zu holen, weil es den Bikern peinlich ist, in einem Lokal gesehen zu werden, in dem keine Leuchtreklame für Bier an den Wänden hängt. Sie mögen ihn. Ich nicht – nicht mehr, seit er Kürbisgewürzkaffee in meine Lieblingsstiefel aus schwarzem Leder gekippt hat.
Onkel Phil wohnte in einem Arbeiterviertel ungefähr zehn Minuten südlich von Las Vegas. Die geschotterten Vorgärten waren mit Eisentoren gesichert. Hinter den vereinzelten verdorrten Encelien und Traubenkirschenbäumen standen zusammengewürfelt einstöckige Häuser aus den 70er Jahren.
Sein bescheidenes graues Heim duckte sich unter einer Fernsehantenne, die die Hälfte des Dachs einnahm. In dem Steingarten, der hauptsächlich aus Sand bestand, standen die sieben Zwerge in Reih und Glied. Zwei Türen weiter scheuchte eine Frau ihre Kinder ins Haus, als wir unsere Harleys abstellten.
Bitte lass sie nicht etwas wissen, was wir nicht wissen.
Wenn es uns gelang, Phil dort herauszubekommen – und zwar schnell –, dann hoffte ich, Ärger vermeiden zu können.
Parate beschnüffelte den Gartenstuhl auf der Veranda, während ich an der Haustür klingelte. Einmal, zweimal. Ich spürte die Wärme von Dimitris tropfenförmigem Smaragd an meinem Hals. Er hatte ihn mir geschenkt, weil er einen Schutzzauber enthielt. Dummerweise war Dimitri derjenige, der jetzt Schutz brauchte.
Die Kette aus Bronze begann zu summen, während sie sich an meinem Hals hinunterschlängelte. In einer Million Jahre würde ich mich nicht an Dimitris bewegliches, sich verwandelndes Schmuckstück gewöhnen. In der Vergangenheit hatte es sich bereits in einen Brustschild verwandelt – kurz bevor eine Hexe mir eine geladene Knarre an die Brust gedrückt
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